Slowdive in Genf
(Mit etwas Verspätung - das Konzert war schon am 9. September)
Okay, ich habe dieses Jahr für Konzerte schon einen Umweg über Milton Keynes genommen und bin auch schon extra nach Paris gefahren. Daher möchte ich betonen, dass ich das natürlich nicht für jeden Künstler oder jede Band mache. Es muss schon etwas Besonderes sein. Sei es, weil die Künstlerin eben nur in Großbritannien auftritt oder weil eine Tour auf dieser Seite des Atlantiks einfach selten ist.
Oder eben, wenn die Band, die eines meiner meistgehörten Alben aufgenommen hat, sich fast 20 Jahre nach der Trennung in Originalbesetzung wieder zusammenfindet. Nach Abgleich der Tourdaten mit einer Europakarte und meinem Terminkalender blieb am Ende nur Genf als Möglichkeit übrig, Slowdive einmal live zu sehen.
Auf dieser Tour haben Slowdive vor allem auf Festivals gespielt, die nun auch nicht so mein Ding sind. In Genf waren sie auch Teil eines "Festivals" (La Bâtie), wobei hier aber eine Reihe von Kulturveranstaltungen gemeint war - kein Camping erforderlich. Der Ort des Geschehens war dann auch eine Art Kulturhaus.
Als Vorprogramm waren Blouse angekündigt, die mir bisher auch nicht bekannt waren. Fast könnte man denken, sie wären auch schon ewig mit dabei, denn ihr Sound hätte auch gut in die Shoegazer-Zeit von Slowdive und Co. gepasst. Aber Blouse haben erst zwei Alben veröffentlicht, 2011 und 2013, und kommen zudem aus den USA. Trotzdem passten Sie aber gut ins Vorprogramm und es waren auch unterhaltsame 45 Minuten.
Dann kam die obligatorische Umbaupause - und das Warten. Statt, wie angekündigt, um 21:30 Uhr war es schon nach 22:00 Uhr, bis Slowdive endlich auf die Bühne kamen. Der Applaus war ihnen trotzdem gewiss.
Nun habe ich zum Oeuvre von Slowdive ja ein gespaltenes Verhältnis. Daher konnte ich auch die ersten Songs nicht eindeutig zuordnen. Zum Glück durfte ich die Setlist abfotografieren, die ein anderer Konzertbesucher hinterher ergattern konnte. Daher weiß ich nun also, dass der erste Song "Slowdive" war (ja, so einen gibt es im Repertoire). Nach insgesamt 4 Songs, die normalerweise nicht zu meinem bevorzugten Material gehören, musste ich aber zugeben, dass sie mir so auch alle gefallen haben. Live ist eben doch noch mal etwas anders - in diesem Fall druckvoller und spannender.
Und dann kam der Souvlaki-Block des Abends. Rachel Goswell kündigte Machine Gun namentlich an, es folgten Souvlaki Space Station, When the Sun Hits und Alison. Für mich natürlich die Highlights des Abends, wobei das den anderen Stücken gegenüber schon fast ein bisschen unfair ist, denn die waren - hier und jetzt - auch prima.
An dieser Stelle vielleicht ein paar Worte zum Sound: Dieser war sehr gut. Da ich direkt am Bühnenrand stand, konnte ich sogar Rachels Schellenring deutlich hören. Weniger gut lief es leider beim Gesang. Das mag auch mit meiner Position zu tun gehabt haben (ich war den Monitorboxen näher als denen fürs Publikum), aber es schwankte auch sehr stark. Als sich Rachel bei Machine Gun sichtlich bemühte, die hohen Töne zu treffen, kam von ihrem Gesang zumindest bei mir leider gar nichts an. Auch Neil Halstead am anderen Ende der Bühne war zeitweise kaum zu verstehen. Ein kleiner Dämpfer also, denn gerade die Kombination von Gesang und Soundwällen macht doch - gerade auf Souvlaki - viel vom Reiz von Slowdive aus.
Nach Alison verabschiedete sich die Band auch schon, ließ sich aber schnell wieder herbei klatschen. Danach gab es noch einmal zwei Stücke (wieder aus den "anderen" Schaffensperioden) und dann war auch schon Schluss. 10 Songs, nicht ganz 75 Minuten - das mag wenig erscheinen, war für mich aber trotzdem eines der Konzert-Highlights des Jahres.
Setlist
- Slowdive
- Avalyn
- Catch the Breeze
- Crazy for You
- Machine Gun
- Souvlaki Space Station
- When the Sun Hits
- Alison
- She Calls
- Golden Hair
Auffällig ist an dieser Setlist - neben der Länge, oder vielmehr Kürze -, dass die Alben Just for a Day und Pygmalion nur mit je einem Song vertreten waren. Die restlichen vier Songs (neben denen von Souvlaki) stammen von eher weniger bekannten EPs.
Andere Beobachtungen:
- Das Lineup, vom Publikum aus gesehen von rechts nach links: Neil Halstead, Bassist Nick Chaplin, Schlagzeuger Simon Scott, Rachel Goswell und Christian Savill. Der Bassist hatte dabei in der Bühnenmitte den meisten Auslauf - und nutzte ihn auch reichlich aus, während sich Neil und Rachel meist nur vor und zurück bewegten.
Nach ihrem Gesangspart in When the Sun Hits trat Rachel Goswell vom Bühnenrand zurück und verharrte in Wartestellung, die Arme hinter dem Rücken verschränkt, während die "Jungs" sich im Instrumentalteil austobten.
- Ähnlich bei Alison - da verliess sie nach ihrem Part sogar schon die Bühne, war also gar nicht mehr anwesend, als die Band sich vor den Zugaben "verabschiedete".
Alles in allem war es mehr als einfach nur ein schöner Abend - die Songs, die ich schon so oft gehört habe, einmal live, von der Band in Originalbesetzung und bester Spiellaune, zu hören, ist einfach mit nichts zu vergleichen. Zudem bin ich jetzt ein klein bisschen weniger neidisch auf die angekündigten Doppelgigs von Slowdive mit Low in den USA.