Musik

Sun Kil Moon (Mark Kozelek) im Le Divan du Monde (Paris)

Update 2021: Ich muss leider auf diesen Pitchfork-Artikel über Mark Kozelek hinweisen.

Mark Kozelek, das durfte ich am Vorabend (beim Gründergrillen in Stuttgart) mal wieder feststellen, ist doch eher unbekannt. Als ich erwähnte, dass ich auf ein Konzert von Sun Kil Moon gehe, erntete ich nur "blank stares". Mit Red House Painters oder eben Mark Kozelek konnte auch niemand etwas anfangen. Erst als auch noch die Umstehenden einbezogen wurden, fand sich ein Fan.

Ich verfolge Mr. Kozelek schon seit dem ersten Red House Painters-Album von 1992. Zugegeben, die letzten Jahre fand ich nicht so spannend: Mark hat eine Unmenge von Live-Alben veröffentlicht, auf denen er offenbar immer nur solo zur akustischen Gitarre Versionen seiner alten Lieder zum Besten gibt. Und leider fand ich das Ergebnis eher langweilig. Auch das neue Sun Kil Moon-Album Benji geht doch in diese Richtung (während ich dies schreibe höre ich das reichlich langatmige "I watched the Film The Song Remains The Same").

Aber egal, nach all den Jahren hatte ich endlich mal die Gelegenheit, ihn live zu sehen, auch wenn ich dafür extra nach Paris fahren musste.

Mark Kozelek In der Schlange vor dem Le Divan du Monde spricht mich eine Frau an. Nachdem wir uns auf Englisch geeinigt haben (mein Französisch wird eher schlechter als besser), fragt sie mich, wann denn Einlass ist. 20 Uhr, sage ich. Nach einer Pause fragt sie mich, grübelnd, wofür ich eigentlich anstehe. Sun Kil Moon. Mark Kozelek. Die Antwort irritiert sie und sie erwähnt etwas von argentinischer Musik. Äh, nein, hier nicht. Also, hoffe ich zumindest. Tatsächlich, so dämmert es ihr dann, steht sie in der falschen Schlange. Sie will eigentlich zum La Cigale, das witzigerweise genau um die Ecke ist (ich meine, wie groß sind die Chancen, dass ich zum zweiten Mal überhaupt zu einem Konzert in Paris gehe - und die Venues sind praktisch direkt nebeneinander?).

Kurz darauf ist endlich Einlass. Meine ausgedruckte Eintrittskarte kann nicht gescannt werden, wird aber akzeptiert. Als ich den Raum betrete, läuft ausgerechnet Slowdive. Kurz vorher hatte ich noch an die Parallelen gedacht: Auch Slowdive kenne ich schon ewig, aber es hat sehr lange gedauert, bis ich Neil Halstead einmal live sehen konnte.

Der Raum ist rund bzw. halbrund, wenn man die Bühne abzieht. Es gibt eine obere Ebene mit Balustrade, wo ein Teil des Publikums Stellung bezieht. Ich bleibe lieber unten, in der Nähe der Bühne. Auf selbiger stehen, zu meiner Erleichterung, auch ein Schlagzeug und ein Keyboard. Vorne links steht ein Stuhl mit Mikrofon, daneben ein Tisch - offenbar der Platz für Mark Kozelek.

Sun Kil Moon Um 20:30 Uhr betritt die Band die Bühne. Vier sind es insgesamt. Während Mark Kozelek den ganzen Abend über eine akustische Gitarre spielt, ist noch ein zweiter Gitarrist mit E-Gitarre dabei. Alle vier sitzen.

Um es kurz zu machen: Es gab fast ausschließlich Songs von Benji zu hören. Immerhin wurden viele davon gegenüber der Album-Version noch etwas aufgepeppt. Streckenweise wurde es sogar unerwartet flott und laut, etwa bei "Dogs", das als Song über oral sex and fucking angekündigt wurde.

Etwas merkwürdig war die Interaktion mit dem Publikum. Mark beschwerte sich z.B. mehrfach, dass nur alte Männer in den ersten Reihen wären. Der Ton dabei war nicht aggressiv, so dass es auch als Scherz hätte gemeint sein können - aber so ganz sicher konnte man nicht sein. Immerhin erkannte er einen weiblichen Fan am Bühnenrand wieder - eine Josephine, die ihm wohl schon bei einigen Konzerten ein Europa hinterher gereist ist. Das Publikum oben - von dem nur Silhouetten zu sehen waren - verglich er mehrfach mit einer Szene aus Stanley Kubriks Eyes Wide Shut, und dass ihn dies nun bis an sein Lebensende verfolgen würde. An einem Punkt erklärte er sogar, dass er gelangweilt wäre und das Publikum solle doch mal was sagen. Viel kam dabei erwartungsgemäß nicht herum und so spielte er eben doch einfach den nächsten Song.

Auf Zwischenrufe nach einigen seiner bekannteren Songs reagierte er unterschiedlich. "Carry me Ohio", so musste sich ein männlicher Fan anhören, dürften sich Kerle nicht wünschen. An einer anderen Stelle wies er den Wunsch nach einem älteren Stück mit der Bemerkung zurück, er werde doch jetzt nicht, mitten in den Songs, die ihn seit neun Monaten beschäftigten, zu altem Material wechseln. Wieder einem anderen Fan machte er wenigstens noch Hoffnung we might get to that (sind wir aber nicht).

Na ja. Alles in allem machte er aus dem - meiner Meinung nach - musikalisch recht schwachen neuen Material noch das Beste. Die Inhalte scheinen ihm ja wichtig zu sein, aber vielleicht hätte er Benji besser als Sammlung von Kurzgeschichten veröffentlicht.

Als Zugaben gab es mehrere Stücke vom Meister solo. Ich muss gestehen, dass ich kein einziges davon erkannte. Danach gab es noch einmal eine Zu-Zugabe mit Band. Nach knapp zwei Stunden war dann endgültig Schluss.

Nach einiger Zeit erschienen erst die Begleitmusiker im schon reichlich leeren Zuschauerraum. Schließlich, ein belegtes Baguette kauend, auch Mark Kozelek selbst. Es gab keine Autogrammsession, aber wer ihm einen Stift und eine CD hinhielt bekam die auch signiert. Zum Teil unterhielt er sich auch mit Fans, schlug dabei aber immer wieder unerwartet Haken, so dass ich ihn nicht zu fassen bekam. Ich hätte ihn ja gerne noch auf die gepflegte Zuschauerbeleidigung angesprochen ...

Das Konzert war jetzt nicht wirklich schlecht, auch wenn ich mir - wie vermutlich ein Großteil des Publikums - ein paar der Klassiker gewünscht hätte. Die Publikumsinteraktion war merkwürdig und ich hoffe mal, dass die Kommentare nicht wirklich ernst gemeint waren.

Eintritt: 18 Euro,
Bahnfahrt: 100 Euro,
Übernachtung: 100 Euro,
Mark Kozelek nach 20 Jahren endlich mal live sehen: trotz allem unbezahlbar

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