Bruchlandung Brexit - Was lernen wir daraus?
Es ist schon alles zum #Brexit gesagt worden!
Nur noch nicht von allen!
(with apologies to Karl Valentin)
Auch eine Woche später reibe ich mir, wie vermutlich der Großteil der westlichen Welt, immer noch verwundert die Augen: Brexit? Wirklich? Wie ist das denn passiert? Dass es immer ein paar ewig Gestrige gibt, hält man ja für normal. Und dass es gerade in Großbritannien noch welche gibt, die dem alten Empire hinterhertrauern, verwundert auch keinen. Aber eine Mehrheit?
Ich will gar nicht versuchen zu ergründen, was da genau im noch-United Kingdom passiert ist oder spekulieren, wie es dort wohl weitergeht. Das müssen die Briten unter sich ausmachen. Ich möchte vielmehr den Blick aufs Festland richten.
Zunächst einmal lernen wir, dass Volksentscheide eine riskante Sache sind. Sie können auch mal anders ausgehen, als alle vorhergesagt haben. Die Schweiz hat da auch schon so ihre Erfahrungen gemacht. Pro Tipp: Wichtige Entscheidungen per Volksentscheid sollten eine echte Mehrheit voraussetzen, also etwa eine Zweidrittel-Mehrheit oder eine Mehrheit der Wahlberechtigten (statt nur der Wähler). Oder beides.
Ferner lernen wir, dass das Volk, in der Masse, sich eher von Stimmungen und Meinungen beeinflussen lässt und nicht von Fakten (oder, wie im Brexit-Fall, von der Abwesenheit von Fakten). Was auch prima zum Aufstieg der AfD in Deutschland passt. Da dürften die wenigsten, die sie wählen, tatsächlich einmal deren Wahlprogramm gelesen haben. Stattdessen geht es um das Gefühl, gegen "die da oben" zu protestieren, ohne Berücksichtigung der möglichen Auswirkungen und Konsequenzen.
Und da liegt die Krux der Misere der westlichen Welt: Ja, unsere Politiker lassen einiges Vermissen. Persönlichkeit und echte Zukunftsvisionen etwa. Mut auch, statt Angst zu haben bzw. Angst zu schüren vor den bösen Terroristen und damit immer unverhohlener immer mehr Überwachung durchzusetzen und die freiheitlichen Grundwerte unserer Gesellschaft zu untergraben.
Vor allem aber fehlt es an der Fähigkeit der Menschen unserer Zeit, eigenständig zu denken, zu hinterfragen, zu recherchieren und sich eine eigene Meinung zu bilden. Stattdessen stecken wir alle (da schließe ich mich gar nicht aus) in unserer kleinen Filterblase und denken, weil alle um uns herum so denken wie wir, dass wir in der Mehrheit sind. Was dann entweder zu überzogener Selbsteinschätzung ("Wir sind das Volk!") führt, oder zu der Überzeugung, dass die anders Denkenden in der Minderheit sind und es deswegen schon nicht so schlimm kommen wird.
Die Lösung? Bildung und Medienkompetenz sind zwei abgenutzte Schlagworte, aber mir fällt nichts besseres ein. Das müsste eigentlich die Schule leisten, was sie aber offenbar nicht in ausreichendem Maße tut. Also müssen wir privat ran: Mit gutem Beispiel voran gehen, Dinge hinterfragen, Widersprüche aufzeigen, das Bild auf Twitter oder Facebook als Fake enttarnen, auch mal den Mund aufmachen bei rassistischen oder sexistischen Sprüchen oder Vorgängen. Und all das vor allem außerhalb unserer Filter-Bubble.
Ich habe nicht gesagt, dass es eine einfache Lösung gibt. Und es wird nicht einfach werden. Aber es muss etwas passieren und zwar jetzt.
(Photo credit: Brexit by (Mick Baker)rooster, from Flickr, CC BY-ND)
“The best argument against democracy is a five-minute conversation with the average voter.” ― Winston S. Churchill pic.twitter.com/oebNJabTuQ
— The QI Elves (@qikipedia) June 23, 2016