Jetzt haben wir den Salat
Spätestens seit den Wahlen in Hessen am vorherigen Wochenende war endgültig klar, dass die Rechtsextremen kein Problem "der Ossis" mehr sind - sie sind auch im Rest der Republik angekommen. Die Frage war nur noch, wie schlimm es werden würde.
Jetzt haben wir die Antwort: Ziemlich schlimm. Das einzig erfreuliche an den drei Landtagswahlen am Wochenende war die hohe Wahlbeteiligung. Gleichzeitig bedeutet sie aber auch, dass die Ergebnisse die Stimmung in der Bevölkerung recht gut abbilden. Und das ist eben das Schlimme.
Schon gibt es Stimmen, die davor warnen, die Wähler der AfD als "dumm" zu bezeichnen. Aber genau das sind sie: dumm. Ich meine nicht dumm im Sinne von ungebildet. Die gibt es auch. Das sind die, die Busse blockieren und Flüchtlingsunterkünfte anzünden. Das ist aber "nur" der dumpfe, empathielose Bodensatz, den es in jeder Gesellschaft gibt. Das sind noch keine 15 Prozent. Nicht, dass wir die nicht auch bekämpfen müssten (was wir in letzter Zeit ganz offensichtlich zu wenig getan haben). Aber sie sind noch nicht das Problem.
Das Problem sind diejenigen, die sehenden Auges die AfD (und andere rechtsextreme Parteien) wählen. Diese Leute sind nicht "dumm" im Sinne von ungebildet, denn sie stammen oft aus dem so genannten Mittelstand. Nein, diese Leute sind dumm, weil sie nicht verstehen, welchen Schaden sie da anrichten. Sie denken vielleicht, ein bisschen Protestwahl werde es "denen da oben" schon zeigen. Sie verstehen aber nicht, dass sie so die Rechten gesellschaftsfähig machen. Sie verstehen nicht, welchen Schaden sie der Politik zufügen. Oder dem Bild der Deutschen im Ausland. Sie verstehen nicht, dass sie zu einer Polarisierung und damit Destabilisierung der Gesellschaft beitragen.
Vor allem verstehen sie aber nicht, dass es in einer zunehmend komplexeren Welt keine einfachen Antworten mehr gibt. Es gibt kein Zurück mehr in die traute Welt der 60er (wozu das Parteiprogramm der AfD prima passen würde, hätten es ihre Wähler denn mal gelesen). Wir können nicht einfach die Grenzen schließen und so tun, als gäbe es die Flüchtlinge und die ganze restliche Welt da draußen nicht.
Dieses Nicht-Verständnis der Welt von heute sieht man ja auch in vielen anderen Bereichen, etwa den Überreaktionen auf die Bildungsreform in Baden-Württemberg, die Förderung von alternativen Energiequellen oder dem Anzweifeln von Erkenntnissen der modernen Wissenschaft (Klima-Erwärmung und Impfgegner seien nur als zwei Stichwörter genannt).
Jetzt haben wir also den Salat und für die nächsten vier Jahre dann also 23 AfDler im Landtag von Baden-Württemberg sitzen. Wie gehen wir damit um?
Man kann natürlich darauf hoffen, dass die sich schon selbst diskreditieren werden, wie es die anderen Rechtsparteien, die den Einzug in diverse Landesparlamente geschafft haben, im Laufe der Zeit demonstriert haben. Erinnert sich noch jemand an die NPD in Landtagen? An die Republikaner? DVU?
Aber etwas sagt mir, dass es dieses Mal nicht so einfach wird. Wenn die Führung der AfD wirklich so "hochintelligent" ist, wie manche Berichte behaupten, dann sehen sie dieses Problem voraus und werden versuchen, gegenzusteuern. Die NSDAP hatte damals ganz ähnliche Skalierungsprobleme, aber eben auch eine straffe Führung (die bei der AfD so zum Glück noch nicht zu erkennen ist). Das kann also so oder so ausgehen.
Wichtig ist jetzt aber auch das Verhalten der übrigen Parteien. Klare Kante und Abgrenzung gegenüber der AfD ist gefordert. Dazu gehört aber auch, dass das Fischen am rechten Rand endlich aufhört. Da muss ich besonders in Richtung der Union sehen, denn was Leute wie Erika Steinbach und Horst Seehofer da in der Vergangenheit vom Stapel gelassen haben, ist nur noch hauchdünn verdeckter Rassismus und muss endlich aufhören. Frau Steinbach sollte Ihren Posten als Menschenrechtsbeauftragte(!) der Union endlich loswerden. Bei Horst Seehofer wird das schwieriger, aber auch er muss endlich zur Räson gebracht werden.
Erste Wahlanalysen sprechen davon, dass die etablierten Parteien - so widersprüchlich das klingt - die Wahlen in der Mitte verloren haben. Sie haben den Rändern zu viel Aufmerksamkeit geschenkt, dabei aber ihre Stammwähler aus den Augen verloren. So herum wird ein Schuh draus: Man muss die Extremisten von der Mitte heraus an die Ränder zurückdrängen, wo sie hingehören.
Und was machen wir? Wir müssen, so unangenehm das werden wird, den Kampf im Alltag aufnehmen. Rassistische, fremdenfeindliche und extremistische Äußerungen oder auch nur Andeutungen nicht länger hinnehmen. Dagegen halten statt wegsehen. Aktiv und sichtbar für eine tolerante Gesellschaft eintreten. Der Dummheit im oben ausgeführten Sinn keinen Raum lassen.
Das wird hässlich und nicht einfach werden. Es erfordert Zivilcourage und ich bin mir selbst nicht sicher, ob ich die immer aufbringen werde. Aber es muss sein. Denn wenn man sich auf der Welt einmal umsieht, sind die Rechten nicht nur bei uns auf dem Vormarsch. Dieses Mal werden sie sich nicht so einfach selbst zerfleischen und wieder verschwinden. Dieses Mal müssen wir wirklich dagegen halten.