Donald und die Bombe
Die USA haben also die größte nicht-nukleare Bombe in Afghanistan abgeworfen, zum Stückpreis von 300 Millionen US-Dollar. Das sind so viele WTFs, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Ein paar Gedanken.
Auf den üblichen Social-Media-Kanälen war man schnell dabei, den Preis der Bombe mit die Einsparungen gegenzurechnen, die der US-Präsident gerade, vor allem im kulturellen und sozialen Bereich, verkündet hatte. Aber das ist natürlich Quatsch, denn das ist nicht Trumps Bombe. Die hat einer seiner Vorgängern in Auftrag gegeben und die 300 Millionen sind längst in irgend einem früheren Haushalt verrechnet worden. Trump hat nur die Chance erkannt, hier publikumswirksam "totes Kapital" gewinnbringend einzusetzen. Diverse Militärs werden sicher auch nicht versucht haben, ihn davon abzubringen; denen kam die Gelegenheit auch gelegen, mal zu zeigen, was sie so alles noch auf Lager haben.
Hat es funktioniert? Leider ja. Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit hat Trump jetzt die militärischen Muskeln spielen lassen und plötzlich ist zumindest die US-Presse voll des Lobes. Vergessen ist bereits der erste vergeigte Militäreinsatz unter seiner Ägide, bei dem ein US-Soldat ums Leben kam.
Ein Gedanke, der mir auf Twitter unterkam: Die USA sind die einzige westliche Nation, die noch nie die Auswirkungen eines modernen Kriegs auf dem eigenen Territorium zu spüren bekam. Der Bürgerkrieg ist zu lange her (und wurde noch mit ganz anderen Waffen ausgefochten) und Pearl Harbor ist nicht vergleichbar mit fremden Truppen auf eigenem Boden und Massenbombardements mit Opfern unter der Zivilbevölkerung. Daher, so der Gedanke, gehen die USA immer noch davon aus, dass militärische Einsätze "funktionieren", und dass man Kriege auch gewinnen kann. Man verharrt im Denken des zweiten Weltkriegs, wonach man den Feind einfach nur in Grund und Boden bomben muss.
Und das zeigt sich ja auch an den unzähligen "Wars", die man so kämpft. War on drugs, War on terror, War on dies und War on das. Der Rest der zivilisierten Welt hat solche martialischen Formulierungen längst abgelegt. In den USA denkt sich niemand etwas dabei.
Dass das Abwerfen von Riesen-Bomben eher den Widerstand befeuern und noch mehr Terroranschläge hervorbringen wird, auf die Idee scheint niemand zu kommen. Allen (verfehlten) Hitlervergleichen zum Trotz ist die Situation in Syrien oder Afghanistan eben nicht vergleichbar mit dem zweiten Weltkrieg und Nazi-Deutschland. Aber ein Präsident, der von seinen innenpolitischen Problemen ablenken muss, beginnt eben einen Krieg und versammelt so die Nation hinter sich, um gegen die - eingebildeten und tatsächlichen - Feinde da draußen anzukämpfen. Dieses Schema funktioniert zuverlässig, vor allem (aber nicht nur) in den USA. Und in Zeiten von Patriotismus werden kritische Stimmen natürlich noch viel eher ignoriert oder gar aktiv zum Schweigen gebracht.
Die USA sind aufgrund dieses Hintergrunds wahrscheinlich schon immer die westliche Demokratie gewesen, die am ehesten in einen totalitären Staat abgleiten könnte. Im Moment kann man jedenfalls viele Anzeichen dafür sehen. Nach Jahrzehnten der Blockbildung ist das Land gespalten und hat nun einen Präsidenten, dem alle althergebrachten Regeln und Gepflogenheiten am Arsch vorbei gehen. Sei es aus Ignoranz oder aus Berechnung, Trump baut im Eiltempo den Staat um. Die offenen Anzeichen für Korruption, über die jeder frühere US-Präsident schon längst gestolpert wäre, werden geschickt durch immer neue Skandälchen oder eben Aktionen wie den Bombeneinsatz überspielt - die Öffentlichkeit lässt sich eben leicht ablenken.
Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob Trump einfach dumm oder sehr clever ist. Vielleicht ist es eine Mischung aus beidem, gekrönt mit einer gehörigen Portion Rücksichtslosigkeit, Ignoranz und "was interessiert mich mein Geschwätz von gestern". Nach den ersten turbulenten Wochen hatte ich dieser Präsidentschaft ein halbes Jahr gegeben, bevor sie sich entweder selbst zerlegt oder abgesetzt wird. Mittlerweile befürchte ich ja, dass er sich auf diese Weise doch vier Jahre lang durchwurschteln könnte. Der Schaden für die gesamte Welt - das Zusammenleben der Menschen und der Staaten - wird aber unermesslich sein.
An den Verhältnissen in den USA können wir hier in Europa direkt nichts ändern - das müssen die Amerikaner schon selbst in die Hand nehmen (und viele tun ja auch etwas). Wir hier auf unserer Seite des Atlantiks müssen jetzt dafür sorgen, dass ähnliche Strömungen - von denen Trump ja nur der bisherige traurige Höhepunkt ist - nicht noch weiter um sich greifen. Wir haben hier schließlich auch ein paar Möchtegern-Trumps in der Nähe: Erdogan, Orbán, Le Pen, Kaczyński, die AfD und ja, auch Teresa May bzw. die Brexit-Bewegung. Also nicht nur immer auf die dummen Amerikaner schimpfen, sondern auch mal ins eigene Umfeld gucken und dort gegen ähnliche Tendenzen angehen.