Youn Sun Nah in Heidelberg (Stadthalle)
"She Moves On", der Titel des neuen Albums von Youn Sun Nah, deutet ja schon an, dass sie sich musikalisch verändern will. Vor dem Konzert in der Stadthalle Heidelberg wurde das auch in einer kurzen Einführung noch einmal vertieft. So verständlich es ist, dass sich Künstler weiterentwickeln wollen, und dass Youn Sun Nah nicht als reine Stimmenakrobatin in die Musikgeschichte eingehen will - man durfte gespannt sein, wie das Konzert nun wirklich ausfallen würde.
Schon die Instrumentierung war anders: Neben diversen E- und akustischen Gitarren standen auch ein Schlagzeug und mehrere Keyboards (inkl. eines Flügels) auf der Bühne. Die vier neuen Begleitmusiker erschienen überwiegend gut behütet, Youn Sun Nah dazu im asymmetrischen Oberteil (ein Arm frei, einer bedeckt).
Nun sind einige der Stücke auf "She Moves On" eher das, was ich als Jazz-Standards bezeichnen würde - nicht besonders bemerkenswert. Andererseits gilt das auch für so manches Stück von Youn Sun Nahs früheren Alben und das eine oder andere entwickelte zum Glück so etwas wie ein Bühnen-Eigenleben. Alles in allem aber, so mein vorläufiges Fazit, scheint ihr überragendes Stimmtalent an vielen dieser Songs eher verschwendet. Die etwas anspruchsvolleren Stellen in "Teach the gifted children" etwa bewältigte sie ohne größere Anstrengungen. Womit ich nicht meine, dass sie sich keine Mühe gab, sondern dass sie schlicht keine Mühe dafür aufwenden musste, eben weil sie so viel mehr kann.
Das Konzert bestand zum größten Teil aus Stücken von "She Moves On". Wenn Sie nicht alle gespielt hat, so waren es doch bestimmt der weitaus größte Teil. Neben "Teach the gifted children" haben mir "She Moves On", das Jimmy-Hendrix-Cover "Drifting" (das sich nur langsam steigerte) und "A Sailor's Life" gefallen. In allen diesen, aber auch den anderen neuen Stücken kam ihre Stimme auch besser zum Ausdruck als auf den doch recht zahmen und glattgebügelten Aufnahmen auf dem Album. Schon alleine dafür hätte sich der Abend also gelohnt.
Das alte Material musste leider deutlich zurückstehen, aber ohne "Momento Magico" geht es natürlich nicht. Als letztes Stück ("maybe not") kam dann noch Tom Waits' "Jockey Full of Bourbon" zur Aufführung (mit zugehaltener Nase, für den echten Tom-Waits-Sound). Viel Applaus, Verbeugungen der Band, Blumen, Abgang, noch mehr Applaus, die erste Zugabe: "Lament". Mehr Applaus, Verbeugungen, Abgang, dann doch noch "our really last song", "La Chanson d'Hélène". Dann war nach nicht ganz zwei Stunden wirklich und endgültig Schluss.
Fazit: Die Studio-Alben geben dem Hörer einen falschen Eindruck von Youn Sun Nah. Man muss sie einfach live gehört und gesehen haben. Ihre Stimme verleiht auch den schwächeren Songs noch etwas Besonderes. Warum man das nicht auf einem Studio-Album einfangen kann, verstehe ich nicht. Aber vielleicht ist das dann mal ein Grund, ein Live-Album vorzulegen (was ich ihr übrigens bei der Signierstunde hinterher auch vorgeschlagen habe). Ein, zwei "Klassiker" mehr hätte ich mir gewünscht, aber ansonsten habe ich an diesem Konzert nichts auszusetzen. Und werde auch dafür sorgen, dass sich unsere Wege wieder einmal kreuzen.