Musik

Youn Sun Nah in Paris

(Mit etwas Verspätung - das Konzert fand am Montag Abend statt)

So manches war anders bei diesem vierten Mal, bei dem ich Youn Sun Nah live gesehen habe. Da sie zwar immer noch fleißig tourt, aber dabei nicht wirklich in die Nähe von Stuttgart kommt, bin ich eben nach Paris gefahren um sie zu sehen. Dazu kam, dass sie für diesen Abend als "Youn Sun Nah Quartet" angekündigt war. Neben dem unvermeidlichen Ulf Wakenius (Gitarre) hatte sie noch Verstärkung von Vincent Peirani (Akkordeon) und Simon Tailleu (Kontrabass).

Wie das in so einem Fall dann ist, muss man den Musikern auch Zeit für Solo-Einlagen einräumen. Der gute Vincent an der "Quetschkommode" konnte mich dabei eher überzeugen als Simons Solo-Gezupfe. Ich habe mir hinterher dann auch - ohne zu wissen, was da eigentlich auf mich zukommt - Vincent's Solo-CD "Living Being" mitgenommen und bin gespannt.

Das Théâtre du Châtelet sieht in etwa so aus, wie man sich ein Theater in Paris eben so vorstellt. Bei vier Reihen Balkonen frage ich mich allerdings, was die Leute da ganz oben noch gesehen haben. Ich hatte einen Platz in der ersten Reihe, der sich allerdings als Notsitz zum Ausklappen erwies. Es war nicht ganz so schlimm wie sich das jetzt vielleicht anhört, aber sicher nicht der bequemste Sitz im Theater und groß bewegen durfte man sich auch nicht, weil sonst mindestens die Rückenlehne oder gleich der ganze Sitz wegklappen wollte. Zudem hatte ich halblinks vor der Nase einen kleinen Lautsprecher stehen, der den Blick in der Praxis aber zum Glück nicht wirklich behinderte.

Fotografieren war dieses Mal laut Durchsage (in Französisch und Englisch) "strictly forbidden", aber mein Narrative Clip hat sicher niemanden gestört. Natürlich kam die kleine Kamera in diesem Umfeld (ausgeleuchtete Bühne und Youn Sun Nah in Weiß) an ihre Grenzen. Aber sie soll ja auch nur Bilder zu meiner Gedächtnisstütze produzieren, nichts druckreifes.

Zurück zur Musik: Das Konzert begann ohne Vorprogramm direkt mit Youn Sun Nah und Vincent und "Full Circle". Danach kamen Simon und Ulf dazu und spielten den größten Teil des Abends über als Quartett. Es verließ im Laufe des Abends aber immer mal wieder ein Teil der Musiker die Bühne - Youn Sun Nah war die einzige Konstante.

Auch vom Programm her war einiges anders. Das Lied vom Sailor, das ich erstmals in Singen gehört hatte, war wieder dabei. Dafür fehlte "Hurt" (was ich auch nicht vermisst habe) und auch das Ende hatte noch einige Überraschungen parat (s.u.). Ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich sie schon einmal das schwedische Stück "Utviklingssang" habe spielen hören. Witzig war die Ansage: "Sind zufällig Schweden anwesend?" Ulf Wakenius hebt lässig die Hand ...

Einige der mir bekannten Stücke hatten eine Neuinterpretation erfahren, die ihnen - meiner Meinung nach - nicht immer gut bekam. "Pancake" etwa sang Youn Sun Nah sehr schnell und hektisch um dann nach jeder Strophe den anderen Musikern Raum für Improvisationen zu lassen. Andere Stücke profitierten aber auch von der zusätzlichen Instrumentierung. "Lament" wurde so unerwartet eines der Highlights des Abends. Auch "Ghost Riders in the Sky", das an diesem Abend das vorletzte Stück des "offiziellen" Programms war, profitierte davon. Danach folgte noch "Momento Magico" wobei die bewusste Stelle dieses Mal nicht ganz so sehr zündete.

Applaus mit Standing Ovations gab's - vollkommen zurecht - trotzdem. Als erste Zugabe folgte dann das traurige koreanische Liebeslied "Kangwondo Arirang". Applaus, Abgang, Youn Sun Nah erscheint alleine und ich dachte, jetzt käme wie immer Randy Newman's "Same Girl" auf der Musikbox mit dem Papierstreifen. Doch die hatte an diesem Abend Pause. Stattdessen gab es zu meiner freudigen Überraschung "Calypso Blues", komplett mit Live-Looprecording. Und dann, als ich dachte, dass es das nun gewesen wäre, gab's noch Tom Waits' "Jockey Full of Bourbon" mit der ganzen Band als Zu-Zugabe obendrauf.

Eine lange Schlange bildete sich anschließend noch am Verkaufs- und Signierstand, aber es blieb alles friedlich. Zumal man auch sehen konnte, dass sich Youn Sun Nah Zeit ließ, um mit jedem Fan ein paar Worte zu wechseln - und sich auch herzlich über alles und jeden freute. Ich finde diese Art, Fan-Kontakte zu pflegen, sehr schön. Man muss ja nicht immer das ganze Instrumentarium an Social Media etc. bespielen (à la Amanda Palmer). So manches Mal hätte ich mir schon gewünscht, dem oder den Künstlern nach einem Konzert einfach mal Danke sagen zu können. Schön, dass das an diesem Abend (wieder einmal) möglich war. Das war auch bestimmt nicht das letzte Konzert von Youn Sun Nah, das ich besucht habe.

(Fotos von meinem Narrative Clip)

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