Musik

Dead Can Dance

Wenn die Band nicht zu mir kommt, muss ich eben zur Band kommen. Dieses Motto war, wieder einmal, angesagt. Aber wenn die Band Dead Can Dance ist, zur ersten Tour seit 2005 kommt und dazu noch mit dem ersten neuen Material seit 1996 im Gepäck, dann nimmt man auch mal eine kleine Reise auf sich. In diesem Fall nach Frankfurt.

Im Vorfeld hatte die Bahn dann auch gleich mal die Spannung erhöht und einen kleinen Unfall mit Totalsperrung des Stuttgarter Hauptbahnhofs inszeniert. Noch am Vorabend sah es so aus, als müsste ich meinen ICE in Esslingen abpassen. Letzten Endes ging die Reise dann aber doch vom Hauptbahnhof aus ab. Fairerweise muss man dann auch sagen, dass sowohl Hin- als auch Rückfahrt ohne weitere nennenswerte Ereignisse abliefen.

Ich war vorher noch nie in der Alten Oper in Frankfurt gewesen. Irgendwie hatte ich mir das Interieur etwas weniger modern vorgestellt. Eher so, wie das Herbst Theatre in San Francisco: Rote Plüschsessel und viel Kitsch an den Wänden. Dagegen wirkte das Innere des Großen Saals doch reichlich unspektakulär.

Wenn man sich vorher im Web ein wenig umgesehen hatte, wusste man schon, wie der Abend laufen würde: Vorprogramm, Umbaupause, 19 Songs, davon 5 als Zugabe. Auch die Setlist ist im Web zu finden. Manche Bands würfeln die Setlist jeden Abend neu aus, andere planen eben alles minutiös durch. Solange am Ende die Show stimmt gibt es keine wirklichen Argumente für oder gegen die eine oder andere Vorgehensweise.

David Kuckhermann aus dem Vorprogramm überraschte nach dem ersten Stück mit einer deutschen Ansage (er ist Deutscher). Sein Hauptinstrument an diesem Abend ist das Hang, ein relativ neues Instrument, das aussieht als hätte man zwei Woks zu einer UFO-Form zusammengeschweißt. Vom Sound her klingt es eher wie eine Steel Drum (mit der es technisch auch verwandt ist, wie ich mir von ihm nach dem Konzert bestätigen lies). Es wird aber mit den Fingern gespielt. Die Musik, die man darauf machen kann, muss man sich als eine Mischung aus Steel Drum-Sound und Rhythmusinstrumenten a la Konga vorstellen. David stand - oder vielmehr saß - übrigens ganz alleine auf der Bühne (nur beim letzten Stück holte er sich Unterstützung durch einen Saxophonisten). Auch eine Leistung, sich als "Einzelkämpfer" mit einem so exotischen Instrument vor ein Publikum zu wagen, das ja nur noch auf den Haupt-Act wartet. Andererseits ist der DCD-Fan ja ein eher geduldiger Zuhörer und auch Neuem gegenüber aufgeschlossen.

Dead Can Dance Dann war es endlich an der Zeit. Auch das Bühnenbild kannte man schon von diversen Fotos im Web. Das einfache Gitter im Hintergrund wurde recht effektvoll angestrahlt und mit den darauf angebrachten LEDs gezielt zum Einsatz gebracht. Die Lightshow war nicht übermäßig komplex, aber abwechslungsreich und der Musik angepasst. Zudem rückte sie immer wieder effektiv den jeweiligen "Star" in den Vordergrund. Denn, von wenigen Stücken abgesehen, stand den ganzen Abend über jeweils einer der beiden Sänger im Mittelpunkt - mal Brendan Perry, mal Lisa Gerrard.

Überhaupt fiel mir auf, dass zwischen den beiden praktisch keinerlei Interaktion statt fand. Lisa Gerrard ist ja nun nicht gerade für spontane Tanzeinlagen bekannt - sie stand die meiste Zeit eher Sphinx-artig an ihrem Podest und knippste ihr Lächeln an, wenn sie in den Mittelpunkt rückte. Etwas anderes hatte auch sicher niemand im Saal von ihr erwartet, aber man hätte doch annehmen können, dass die beiden wenigstens ab und zu mal Blicke oder ein Lächeln austauschen. Eine ähnliche Nicht-Interaktion zwischen den beiden Hauptakteuren hatte ich kürzlich auch bei einem Konzert von The Walkabouts beobachtet. Wahrscheinlich ist nach Jahren der engen Zusammenarbeit irgendwann einfach der Punkt erreicht, an dem man sich nichts mehr zu sagen hat. Was von außen betrachtet ein wenig schade ist.

Zu ergänzen wäre noch, dass auch mit dem Publikum wenig interagiert wurde. Außer Dankesbezeugungen in verschiedener Form gab es keine Begrüßung und auch keine Vorstellung der Band. Nur zu zwei Stücken gab es jeweils eine kurze Einführung von Brendan. Das Publikum schien es nicht weiter gestört zu haben - es gab tosenden Applaus nach jedem einzelnen Stück.

Doch zur Musik: Nach zwei Stücken aus dem neuen Album Anastasis gab es mit Rakim den ersten Klassiker - und bei mir den ersten Kloß im Hals. Ein etwas verwackeltes Fan-Video vom Konzert in Paris gibt einen guten Eindruck von dem Stück und der Show.

Dead Can Dance Rechnen wir mal kurz durch: Unter den 19 Stücken waren alle 8 Titel vom aktuellen Album, dazu 2 Songs von This Mortal Coil, der Titelsong aus dem Film Gladiator, ein 800 Jahre altes arabisches Stück, ein Rembetiko, und - als allerletzte Zugabe - ein irisches Volksstück. Das lässt Platz für genau 5 Songs aus dem doch recht umfangreichen Dead Can Dance-Œuvre. Dieser Platz wurde, neben Rakim, gefüllt mit The Host Of Seraphim, Nierika, The Ubiquitous Mr. Lovegrove, sowie Sanvean (eigentlich ein Stück von Lisas Solo-Album The Mirror Pool, das aber schon auf Toward The Within und Wake kanonisiert worden war) .

Hektische Handzeichen in Richtung Technik zwischen und vereinzelt auch während der Songs deuteten darauf hin, dass auf der Bühne nicht alles wie geplant lief. Beim Publikum kam davon aber nichts an: Der Sound war gut, die Show war abwechslungsreich und gut choreographiert. Die Musik war genau so, wie man sie als Fan eben erwartet hatte. Und wenn Lisa ihrer Stimme (leider viel zu selten) dann mal freien Lauf ließ, war sowieso alles andere vergessen.

Ein schöner Abend. Lasst uns bitte nicht allzu lange auf den nächsten warten.

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