Tori Amos in der Liederhalle
Vor dem Konzert gab es erst einmal ein paar Hindernisse zu überwinden. Da war vor allem der innere Schweinehund, denn sich bei immer noch 34 Grad aus dem Haus zu wagen, erforderte schon etwas Motivation. Aber ich habe schon einmal ein Konzert saußen gelassen, weil es mir zu kalt war - und ärgere mich heute noch darüber. Das sollte sich nicht wiederholen. Die anderen Hindernisse hatte die SSB aufgebaut: Schleifarbeiten am Berliner Platz und, später am Abend, in Feuerbach, zwangen zu kleineren Abweichungen und Umwegen bei der An- und Abreise.
In der Liederhalle herrschten dann zum Glück erträgliche Temperaturen. Die Kleiderordnung war jedoch für das Umfeld ungewohnt locker: Kurze Hosen und nackte Füße in Sandalen sieht man bei Konzerten dort auch eher selten.
Den Auftakt machte das Duo Trevor Moss & Hannah-Lou, die sich als Ehepaar vorstellten und mit akustischen Gitarren wieder in Richtung British Folk gingen (das wird ja gerade zum Trend bei mir dieses Jahr). Sie sangen fast immer gemeinsam, bestanden aber offenbar darauf, sich ein Mikrofon zu teilen. Mit zwei Gitarren braucht man dazu ja etwas Übung, die sie aber offenbar hatten.
Mit ihrem kurzen Auftritt erspielten sie sich jedenfalls gleich eine Menge neuer Fans, wie die lange Schlange am Verkaufsstand in der folgenden Pause andeutete. Die beiden signierten ihre CD im Akkord, so dass die Zuschauer auch ja nicht den Anfang der folgenden Hauptacts verpassen würden.
Tori Amos ließ sich allerdings Zeit. Als sie dann endlich erschien, sprangen die ersten schon von ihren Sitzen. Standing Ovations schon vor Beginn? Man kann's auch übertreiben.
Tori verschanzte sich dann hinter ihrem riesigen Bösendorfer-Flügel (ich bin kein Experte, aber der ist deutlich größer als alles, was man üblicherweise so sieht). In ihrem Rücken stand zudem noch ein Keyboard, so dass sie ziemlich "verbaut" war. Sie wechselte oft zwischen den beiden Instrumenten, oft auch mitten im Song, wobei ich dann von meinem Platz aus oft nur noch ihren Hinterkopf sah. Die beste Sicht hatten diejenigen, die in diesen schmalen Spalt zwischen den beiden Tasteninstrumenten sehen konnten - oder eben die oben auf der Empore (wobei die im Hegelsaal aber schon ziemlich weit weg von der Bühne ist).
Soviel zum Umfeld - musikalisch war es indes vom Feinsten. Es gab viele bekannte und (mir) weniger bekannte Stücke zu hören, mehr oder weniger quer durch das gesamte Œuvre, aber wohl mit dem verständlichen Schwerpunkt auf Material vom aktuellen Album Unrepentant Geraldines. Aber es gab auch Fremdkompositionen zu hören. So ging etwa Happiness is a Warm Gun ansatzlos über in Let It Be.
Mein persönliches Highlight war eine Variation von Rattlesnakes. Einige ihrer Klassiker hatte sie dagegen schon fast bis zur Unkenntlichkeit verändert und man konnte sie z.T. nur am Text wiedererkennen.
Offenbar hatte ich das Memo verpasst, dass bei Cornflake Girl alle aufspringen und zum Bühnenrand rennen sollen. Das war dann auch der letzte Song des offiziellen Teils, den wir dann eben im Stehen absolvierten. Applaus, Abgang, und schon war sie wieder auf der Bühne und spielte noch drei Zugaben. Das waren aber allesamt langsamere Stücke, was sich in so einer Situation (alles steht und wartet eigentlich auf ein schnelles Stück) immer etwas merkwürdig anfühlt. Strange war das endgültig letzte Stück, mit der letzten Zeile:
But now, I must be leaving.
Applaus, Winken, ein paar Hände am Bühnerand schütteln und weg war sie. Überhaupt hatte sie kaum etwas gesagt an diesem Abend. Nach dem zweiten Stück hatte es eine kurze Begrüßung gegeben, in der die Worte Stuttgart und die Ankündigung von Surprises vorkamen, womit sie wohl die musikalischen gemeint hatte. Ansonsten ein relativ statisches Konzert, das aber trotzdem keine Minute langweilig war.
Ich bin vielleicht nicht ihr größter Fan (mir fehlen einige Alben und ich habe es nicht eilig damit, diese Lücken zu schließen), aber irgendwann während dieses Abends dachte ich, dass ich ihr stundenlang zuhören könnte, egal was sie spielt. Ich denke, damit ist eigentlich alles gesagt.
P.S. Die Setlist des Abends, von Tori persönlich.