Musik

Kate Rusby live in Northampton

Wenn ich auf Reisen bin, versuche ich immer auch interessante Konzerte in der Nähe mitzunehmen. Bei meinem Trip nach London fiel meine Wahl allerdings nicht auf ein Konzert in London selbst sondern auf eines im etwa eine Stunde (mit dem Zug) entfernten Northampton. Der Grund für diesen kleinen Ausflug war die in Deutschland wohl weitgehend unbekannte britische Folk-Sängerin Kate Rusby.

Kleiner Rückblick: 2011 war ein Jahr, in dem ich mit vielem unzufrieden war, darunter auch mit meinem Job und nicht zuletzt auch mit mir selbst. Im Vergleich mit den Problemen die andere Menschen jeden Tag zu bewältigen haben, waren das sicher alles "Luxusprobleme", aber ich war noch nie über so einen langen Zeitraum einfach so genervt von allem. Irgendwann erkannte ich da auch einen Bezug zur Musik die ich hörte: 2011 zerfällt für mich in "50FOOTWAVE-Tage" und "Kate-Rusby-Tage". Wer Kristin Hersh's Seitenprojekt 50FOOTWAVE nicht kennt, dem sei die Website empfohlen: Dort gibt es das komplette Oeuvre kostenlos zu hören. Wie man an der Unterscheidung (gerade im Kontrast zu einer Folkmusikerin) schon ahnen kann: Es geht da eher laut und rau zu.

Doch zurück zu Kate Rusby: Über diese bin ich, wie so oft, bei eMusic gestolpert, auf Empfehlung aus einer Forumsdiskussion. Einsteigetipps: Die Alben The Girl who couldn't fly und Awkward Annie. Im Laufe des Jahres 2011 habe ich irgendwann entdeckt, dass ihre Musik auf mich beruhigend wirkt. Wenn mir also nicht danach zumute war, mich abzureagieren, legte ich stattdessen Kate Rusby auf.

Leider tourt Mrs. Rusby offenbar fast ausschließlich in Großbritannien. Daher dann auch die Entscheidung, wenn sich schon einmal die Gelegenheit ergibt, auch noch den kleinen Extra-Umweg in das ansonsten vollkommen uninteressante Northampton mit in Kauf zu nehmen.

Das Royal & Derngate in Northampton ist ein nicht allzu großes, modern eingerichtetes Theater. Ich hatte mir ein Ticket über die Website reserviert und einen guten Platz in der Mitte bekommen, mit freiem Blick zur Bühne. Beim Abholen des Tickets freute sich der Mitarbeiter ganz offensichtlich, dass ich extra aus Deutschland angereist wäre. Und er musste mir auch gleich erzählen, dass auch noch ein Besucher aus Schweden da sei. Offenbar hat Kate Rusby also auch begeisterte Fans in anderen Ländern.

Nach einer leichten Verzögerung (harmlos im Vergleich zu dem, was ich schon bei anderen Konzerten erlebt habe), für die sich alle Beteiligten vielfach entschuldigten, ging es dann los. Auf der Bühne standen schlicht ein paar Stühle und Instrumente. Als einzige Deko diente eine Lichterkette, die um die Monitor-Lautsprecher für die Musiker geschlungen worden war. Ein schwarzer Vorhang als Hintergrund und ein wenig dezent wechselnde Beleuchtung - mehr war auch nicht nötig.

Kate Rusby selbst ist von kleiner Statur, dafür aber mit einem umso größeren Lächeln ausgestattet. Mit ihrem dezenten und - für deutsche Ohren - amüsanten Akzent redete sie den ganzen Abend über zwischen den Songs über ihre Musik, ihr Leben und kleine Dinge aus dem Alltag. Das alles so natürlich und herzlich, dass es unmöglich ist, sie nicht sofort gern zu haben.

Musik gab's natürlich auch. Angesichts ihres 20jährigen Bühnenjubiläums hatte sie einige ihrer Klassiker neu arrangiert und aufgenommen und aus diesem Fundus wurde dann auch der größte Teil des Abends bestritten. Wie immer in solchen Fällen ist man als Zuhörer hin- und hergerissen: Einerseits möchte man natürlich seine Lieblingssongs so hören, wie man es vom jeweiligen Album gewohnt ist, andererseits kann man so aber auch einem oft gehörten Stück unerwartete neue Seiten abgewinnen.

Ehrlich gesagt hätte ich bei dem einen oder anderen Song auch lieber die Originalversion gehört. Da ich aber andererseits, vor allem am Anfang, jedes Mal einen dicken Kloß im Hals hatte, wenn Kate anfing zu Singen, war es vielleicht doch besser so - oder der Abend wäre etwas feucht geraten ...

Die Zeit verging jedenfalls wie im Flug. Es gab auch eine Pause (deren Sinn sich mir nicht erschließen wollte), die ich dazu genutzt habe, mir das neue Album und eine DVD zuzulegen. Es gab auch noch diverse T-Shirts, Tassen, Taschen und sogar Handtücher, aber deren Design sagte mir nicht wirklich zu.

Die zweite Hälfte des Konzerts verlief wie die erste: Kate gab Geschichten und Anekdoten zum Besten und dazwischen wurde Musik gespielt. Die Begleitband (fünf Herren, u.a. mit Ziehharmonika, Flöte, Kontrabass und diversen akustischen Gitarren ausgestattet) durfte auch zweimal alleine ran. Einmal gab Kates Gatte Damian einen Song zum Besten, einmal gab es ein Instrumental-Medley, das sogar die Titelmelodie der Muppets beinhaltete.

Es gab eine einzige Zugabe und dann war der Abend nach gut 90 Minuten auch schon um. Schön war's, und den Umweg (inkl. Übernachtung und allem) wert. Wenn ich jetzt ihre Musik auflege, habe ich immer diesen Abend und ihr großes Lächeln vor Augen. Thanks for everything, Kate!

We'll sing to the morning,
We'll sing till the bells they sound,
We'll sing now the wandering soul is found.

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