Mal wieder gesehen: Home of the Brave
Tim Bray ist schuld, wenn ich am Wochenende bei meinem Workshop auf der FrOSCon unvorbereitet erscheine. Der gute Tim hat nämlich ein neues Spielzeug, eine Chromecast. Und er musste unbedingt posten, was er darüber so alles hat streamen lassen. Darunter war auch der Film Home of the Brave von Laurie Anderson.
Ich bin ein Fan von Laurie Anderson. Ihre Musik ist ja allerdings nun nichts, was man mal so nebenbei hört, und so gerät sie auch bei mir gelegentlich in Vergessenheit. Bis sie dann, wie in diesem Fall, aus irgend einem Grund plötzlich wieder "hochgespült" wird.
Home of the Brave hatte ich vor Jahren (Jahrzehnten, fürchte ich) mal im Fernsehen gesehen - und seither nie wieder. Den Film gibt es m.W. auch nicht auf DVD (nur VHS und Laserdisc). Und obwohl ich den Soundtrack habe (der allenfalls einen kleinen Ausschnitt aus dem Film repräsentiert), hatte ich komplett vergessen, dass es diesen Film überhaupt gibt.
Daher das Flashback und der "Muss-ich-sehen"-Drang.
Ich finde, der Film hat sich, für sein Alter, erstaunlich gut gehalten. Es gibt kaum (aus heutiger Sicht) peinliche Momente (oder Frisuren). Streckenweise erinnert er ein wenig an Stop Making Sense, den legendären Konzertfilm der Talking Heads, der ja aus dem gleichen Jahrzehnt stammt.
Schön finde ich auch, dass sich eher kopflastige Szenen die Balance halten mit einfach guter Musik. Die Bühnenshow stimmt auch. So manch kleine Überraschung funktioniert auch heute noch gut - den Effekten sieht man ihr Alter kaum an und die "pixeligen" Grafiken sind ja schon wieder retro-in.
Mit den Inhalten müsste man sich nochmal näher beschäftigen. Aber auch diese scheinen auf den ersten Blick wenig an Aktualität verloren zu haben: Home of the Brave - ha, ha, ha ...
Manches hat natürlich auch eine neue Bedeutung bekommen, etwa die Zahl "911", die an einer Stelle groß zu sehen ist, damals aber noch schlicht für die US-Notfallrufnummer stand.
Es handelt sich hier um Kunst, daher muss man auch nicht unbedingt alles bis ins letzte durchinterpretieren. Und manchmal imitiert auch die Kunst das wirkliche Leben. An einer Stelle führt Laurie Anderson ein Telefonat mit ihrer Keyboarderin am anderen Bühnenende. Laurie will reden, die Keyboarderin ist höflich, aber viel zu beschäftigt. Genau so eine Unterhaltung hatte ich kurz vorher mit meinem Bruder, als ich ihm zum Geburtstag gratulieren wollte und er damit beschäftigt war, seine Gäste zu versorgen.
Sinngemäß hat mal jemand über Laurie Anderson gesagt, sie erzähle wahre Märchen und erfundene Tatsachen. Ein bisschen davon ist in diesem Film zu sehen. Man kann ihn sich aber auch "einfach so" ansehen, sich von den künstlerischen Szenen faszinieren lassen und die Musikeinlagen genießen.
P.S. Zum Ausgleich werde ich dann heute abend wohl das Doppelkonzert mit den Hussy Hicks und Minnie Marks im Merlin saußen lassen müssen. Denn dass ausgerechnet ich schlecht vorbereitet zu einem Vortrag erscheine, geht natürlich gar nicht. Sieht man sich am Wochenende auf der FrOSCon?
(Das Foto ist ein Schnappschuss aus dem Video, während des Stücks "Radar".)