Barcamp Stuttgart 7 - Neue Location, neue Impulse
Manchmal ist es auch gut, wenn man mit Traditionen bricht. In den bisherigen sechs Jahren seiner Existenz fand das Barcamp Stuttgart immer im Literaturhaus statt. Durch den Erfolg der Veranstaltung wurden aber schon bald die Grenzen dieser Einrichtung erreicht. Nachbesserungsversuche, wie etwa die Räumlichkeiten des Restaurants Vinum im Erdgeschoss noch hinzu zu nehmen, brachten allenfalls Linderung. Das Barcamp war einfach zu groß für das Literaturhaus geworden.
Und so fand nun die siebte Auflage am vergangenen Wochenende in neuen Räumlichkeiten statt, nämlich im Hospitalhof. Und wenn ich "neu" schreibe, dann gilt das in doppelter Hinsicht, denn die ganze Einrichtung ist noch neu.
Um es kurz zu machen: Die neue Location hat dem Stuttgarter Barcamp sichtlich gut getan.
Der große Saal im ersten Stock, der für die Session-Planung verwendet wurde, verströmte zwar mit seinen Tischreihen ein wenig traditionelles Konferenzfeeling, aber die Architektur war schon beeindruckend und signalisierte auch schon gleich das, was wir in der neuen Location endlich wieder hatten: Platz. Viel Platz.
Im Literaturhaus ging es zuletzt doch arg eng zu. Ein bisschen "Kuschelfeeling" ist nun auch nicht unbedingt schlecht, aber für eine Veranstaltung dieser Größe und zudem für ein ganzes Wochenende dann doch etwas viel. Der Unterschied war schon frappierend.
Der Samstag
Nach der obligatorischen Vorstellungsrunde (jeder nennt nur seinen Namen + 3 Tags, da geht das ganz schnell) bildete sich schnell eine lange Schlange von Teilnehmern, die eine Session vorschlagen wollten.
Ich fand mich ziemlich weit hinten, bekam dann überraschenderweise aber noch einen Platz im ersten Slot. Und so blieben mit gerade einmal 15 Minuten, um die ungewöhnliche Sitzordnung (Stuhlkreis in einem offenen Bereich) aufzunehmen und meine Technik zum Laufen zu bekommen. Für meinen nun ja schon traditionellen Vortrag über besseres Präsentieren hatte ich mir dieses Mal nämlich etwas zum Thema "Visuell Präsentieren ohne Folien" überlegt. Ironischerweise, wie die Teilnehmer richtig anmerkten, verwendete ich aber Folien um diese Möglichkeiten aufzuzeigen. Dazu kamen dann auch noch ein paar Videos, so dass ich noch für Sound sorgen musste, was in dem offenen "Raum" eine Herausforderung war. Ich hoffe, man konnte es trotzdem einigermaßen verstehen.
Die nächsten zwei Sessions waren "Pflichttermine" für mich, war ich doch in beiden Fällen beteiligt: Bei den Ironbloggern (die Session hat Franziska dankenswerterweise bereits ausführlich verbloggt) sowie bei der Session über das anstehende PrismCamp 2 und die PrismLabs-Aktivitäten.
Die Session über Google Glass bot Gelegenheit zu fotografischer Rekursion, als mein Narrative Clip ein Foto von einem Teilnehmer schoss, der ein Selfie von sich mit Google Glass auf der Nase anfertigte. Ansonsten bekam ich den Eindruck, dass Glass auch zwei Jahre nach der ersten Vorstellung zwar weiterhin viel Potenzial aber ansonsten wenig praktischen Nutzen - vor allem auch im deutschsprachigen Bereich - bietet. Massentauglich ist das Gerät noch lange nicht.
Die LinkedIn-Session von Barbara Hoisl geriet streckenweise etwas zum LinkedIn-Bashing (der Service ist doch gelegentlich etwas buggy und hat auch diverse nicht sehr einleuchtende Eigenheiten), aber ein paar Tipps konnte, denke ich, jeder Teilnehmer mitnehmen. Ich hatte ja auch vor Kurzem erst etwas darüber geschrieben, wie man Präsentationen von Slideshare in sein LinkedIn-Profil einbetten kann).
Danach gab's noch eine Session zum Thema Buch im Selbstverlag, wobei der Schwerpunkt aber schon auf einem gedruckten Buch lag und auch hier eben nicht Print on Demand sondern "richtig" gedruckt. Diese ungewöhnliche Kombination kann Sinn machen, etwa wenn man Wert auf die Qualität legt, was vor allem bei Büchern im Vollfarbdruck wohl zu empfehlen ist.
Nach dem Abendessen wurden noch Abendsessions geplant, aber ich war schon so geplättet, dass ich mich verabschiedete.
Der Sonntag
Eigentlich wollte ich am Sonntag ja keine Session mehr anbieten, aber am Morgen fiel mir noch ein, dass ich ja etwas über meine Lifelogging-Experimente erzählen könnte. Also habe ich meinen FrOSCon-Vortrag in der S-Bahn etwas gekürzt und mit Bildern vom Vortag angereichert.
In der ersten von mir besuchten Session ging es um Hieroglyphen. Ja, diese ägyptischen Schriftzeichen - auch so ein Thema kann es eben bei einem Barcamp geben. Nachdem sich der Sessionleiter etwas abgeregt hatte (er bekam den Beamer nicht mit seinem Laptop ans Laufen - ich verstehe ja, dass das ärgerlich ist, aber man kann sich ja auch etwas zusammenreißen ...) wurde es doch noch eine interessante Session (und die Hieroglyphen eben am Laptop gezeigt). Dass es tatsächlich Wörterbücher Hieroglyphen-Deutsch (und umgekehrt) gibt, war mir auch neu.
Als nächstes war dann also meine Lifelogging-Session dran. Ich hatte den Diskussionsbedarf etwas unterschätzt und ein bisschen zu lange an meiner vorgegebenen Struktur geklebt (sorry). Die Diskussion und das Feedback waren jedenfalls interessant und hilfreich. Von kompletter Ablehnung bis "ja, und?" waren fast alle Schattierungen vertreten. Auch wenn ich ja vorher gedacht hatte, ich hätte das Thema jetzt bei diversen Gelegenheiten so langsam durchdiskutiert, kamen noch ein paar neue Facetten hinzu. Danke dafür.
Nach der Session hatte ich noch mit einer Teilnehmerin weiterdiskutiert, so dass es sich dann, angesichts des aufgebauten Büffets, anbot, eine Mittagspause einzuschieben. Dadurch habe ich aber, wie mir erst hinterher auffiel, die Session von Barcamp-Neuling Nicole Gugger verpasst. Sorry!
In der nächsten Session ging es um effektive Pressearbeit. Da ich in letzter Zeit auch ein paar Mal Pressemitteilungen verschicken musste und von dem fehlenden Feedback frustriert war, interessierte mich das Thema auch. Es ging zwar in eine etwas andere Richtung als erwartet, aber die Hauptinfo, die ich mitgenommen habe, gilt wohl immer: Einfach per Broadcast etwas zu verschicken bringt's nicht. Man muss persönliche Beziehungen zu den Empfängern haben und diese auch pflegen. Eigentlich logisch, aber manchmal muss man auch die offensichtlichen Dinge mal wieder gesagt bekommen.
Zum Abschluss ließ ich mir dann endlich mal das mit den Toastmasters erklären. Eigentlich eine gute Idee, aber die Formalismen haben mich dann doch wieder abgeschreckt.
Tja, und dann war's auch schon wieder Zeit für die Abschluss-Session. Dass das WLAN besser hätte funktionieren können, musste man nicht mehr extra erwähnen. Davon abgesehen gab's rundum nur zufriedene Gesichter und positives Feedback. Ich bin ja der Meinung, dass die neue Location (die auch entsprechend gelobt wurde) viel dazu beigetragen hat, dass alles etwas entspannter laufen konnte.
Wie immer fiel die Wahl zwischen den vielen, vielen interessanten Sessions schwer. Neben der schon angesprochenen Session von Nicole hätte ich mir auch gerne etwas über effizientes Aufräumen, Wohnung putzen, kluge Entscheidungen, Impro-Theater, Roboterjournalismus, radikale Ehrlichkeit, Kinderfotos in sozialen Netzen und noch vieles anderes angehört. Aber man kann sich eben nicht aufteilen.
Fazit: Immer wenn man denkt, es geht nicht mehr besser, setzt der Jan Theofel noch einen drauf. In diesem Jahr war es die Location. Mal sehen, was er am 26./27. September 2015 aus dem Hut zaubert, denn da findet das nächste Barcamp Stuttgart statt. Ist schon im Kalender vermerkt - man sieht sich dort.
(alle Fotos stammen von meinem Narrative Clip)