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Impro Specials im Merlin

Wann beginnt eine Veranstaltung einmal pünktlich? Genau, wenn ich ausnahmsweise mal etwas spät dran bin. Zum Glück waren es wirklich nur ein paar Minuten, die ich zu spät im Kulturzentrum Merlin aufschlug. Ich hatte nur die einführenden Worte verpasst und kam gerade rechtzeitig zum Auftritt der ersten Impro-Truppe.

In Stuttgart findet nun schon zum sechsten Mal das Improvisationstheater-Festival Improkessel statt. Wie schon letztes Jahr, wollte ich mir die Auftaktveranstaltung ansehen, weil dort gleich drei verschiedene Truppen mit Kurzprogrammen auftreten. Die Mischung, so die Hoffnung, macht's.

Als erstes gingen die Krimiwerke zu Werke. Es gab zwar keine wirklichen Krimis, aber Tote (gespielte, natürlich). Für das erste Stück zog jeder der drei Schauspieler eine Karte. Einer von ihnen würde am Ende sterben, aber nur die Person selbst würde wissen, dass sie die Leiche ist. Das ist natürlich eine interessante Herausforderung - wie bringe ich meine nichts ahnenden Mitspieler dazu, auf meinen Tod hinzuspielen? Und es funktionierte - die rosenzüchtende Hildegard wurde am Ende von der neugierigen Nachbarin, die immer weg musste, ermordet. Als Hintergrund wurden Eifersucht und Gier herausgespielt: Die Nachbarin hatte sich an Hildegards Vater herangemacht und wollte zudem das Haus samt Rosengarten übernehmen.

Im zweiten Stück der Krimiwerke waren alle drei gleich am Anfang tot. Sie erzählten aus dem Grab heraus, wie es dazu gekommen war und mussten auf vom Publikum vorgegebene Todesarten hinarbeiten. Witzig fand ich, dass der Buchliebhaber an einer Vergiftung sterben sollte. Ich dachte gleich an das Buch mit vergifteten Seiten aus Der Name der Rose - und tatsächlich hatte der Schauspieler die gleiche Idee und das war seine Todesart. Seine Kollegin hatte ihm noch eine Brücke gebaut indem sie ihm seinen ersten Joint anbot und sich noch wunderte, ob er diesen wohl vertragen würde, aber er zog einen anderen Tod vor.

Beim Improtheater Stuttgart wurde wieder viel gesungen, rund um die Geschichten in einem Haus, das vom Publikum ziemlich vorhersehbar ins Rotlichtviertel verlegt wurde. So ganz rund, so mein Eindruck, lief es bei dieser Truppe an diesem Abend nicht. Es gab ein paar Längen und Hänger. Bei den Musikeinlagen konnte man die noch mit Wiederholungen des Texts überspielen, aber bei der eigentlichen Geschichte gab es hier und da Pausen, in denen den Schauspielern sichtlich nicht einfiel, wie sie nun weitermachen sollten.

Das ist eine Feststellung, keine Kritik. Wenn ich mir vorstelle, dass ich da oben stehen und aus dem Stegreif eine Geschichte entwickeln müsste, käme ich schon gar nicht aus den Startlöchern. Leider habe ich ja die Impro-Session beim Barcamp Stuttgart verpasst. Gerade die Techniken, um aus so einem Hänger wieder heraus zu kommen würden mich doch sehr interessieren, zumal sie auch für mein anderes Interessengebiet hilfreich sein könnten.

Als nächstes gab es eine Pause. Zuvor wurden das Publikum aber aufgefordert, zu basteln. Wir sollten aus Zeitschriften markante Aussagen ausschneiden und auf Zettelchen kleben. Diese wurden dann von der nächsten Truppe verwendet.

Die beiden ersten Truppen kannte ich schon vom letzten Mal (wenn auch mit leicht unterschiedlicher Besetzung). Als drittes kam jetzt eine reine Damen-Combo auf die Bühne. Wildwechsel stellte als Rahmenhandlung eine Frauen-WG vor. Im ersten Stück begab diese sich auf eine Expedition nach - wie vom Publikum vorgeschlagen - Grönland. Dabei kamen dann die vorbereiteten Sprüche zum Einsatz, die zufällig gezogen und vorgelesen wurden. Die Herausforderung war, diese dann geeignet in das Stück einzubauen. Es kamen allerdings recht viele "fiese", weil unpassende Sprüche dabei heraus, so dass das nicht so richtig funktionierte.

Als nächstes wurde es "gefährlich" für die Männer im Saal, denn für zwei weitere Szenen wurde je ein Mann auf die Bühne gebeten. Einer musste als Stichwortgeber für ein simuliertes Blind Date mit einer gespaltenen Persönlichkeit (wechselweise von den drei Damen verkörpert) herhalten. Der andere durfte "mit Puppen spielen", d.h. er musste die vor sich hin improvisierenden Schauspielerinnen über die Bühne bewegen (sie sprachen nur, bewegten sich aber nicht selbst).

Dann gab es noch improvisierte Songeinlagen. Das Publikum gab drei Musikstile und ein Thema vor. Und so durften sich die Damen vom Wildwechsel dann u.a. an einer atonalen Oper über OBs (ja, den Damenhygiene-Artikel) versuchen.

Zum Abschluss gab es dann noch eine gemeinsame Einlage aller drei Truppen. Je zwei Schauspieler begannen eine Szene und wurden dann von anderen spontan abgelöst und die Szene in eine vollkommen andere Richtung weitergeführt. So kam jede(r) nochmal dran und es gab noch ein Feuerwerk von kurzen Szenen, inkl. Tanz- und Gesangseinlagen.

Es war wieder ein sehr interessanter und unterhaltsamer Abend - zwei Stunden vergingen wie im Flug und unter viel Gelächter. Das Publikum an diesem Abend war etwas zögerlich, was Vorschläge anging, was auch dazu führte, dass eher absurde Ideen eingeworfen wurden. Die Schauspieler lehnten die allzu abgedrehten Vorschläge dann auch z.T. freundlich ab oder interpretierten sie dezent um. Es trat also in etwa das ein, worüber ich beim letzten Mal nur spekuliert hatte: Man braucht auch die Unterstützung eines wohlwollenden Publikums, sonst kann Impro nicht funktionieren. Die Schauspieler waren zum Glück routiniert und lenkten es noch in etwas geordnete Bahnen - was aber nicht heißt, dass sie es sich immer einfach machten, siehe atonale Oper.

Irgendwann werde ich es dann auch noch mal in eine Impro-Session für Anfänger schaffen, damit ich das Ganze auch mal von der anderen Seite sehen kann ...

(alle Fotos stammen von meinem Narrative Clip)

Creative Commons Licence "Impro Specials im Merlin" by Dirk Haun is licensed under a Creative Commons Attribution-ShareAlike 4.0 International Licence.

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