Meine erste #Schreibnacht
Ich schreibe ja sonst nur Sachbücher und Sachtexte. Trotzdem interessiert mich das Thema "Schreiben" auch allgemein und von Romanautoren kann man sich manchen Tipp abgucken, der auch für das Schreiben von Non-Fiction funktioniert. Und so war ich schon vor einiger Zeit auf die Schreibnacht gestoßen, hatte aber bisher nicht die Gelegenheit gehabt, daran auch einmal teilzunehmen.
Der Name sagt eigentlich schon, um was es geht: Es wird eine Nacht lang geschrieben und zwar gemeinsam. Man trifft sich aber nicht an Orten sondern "nur" online, im Schreibnacht-Forum und -Chat. Ein bisschen ist es wie Coworking: Wenn man sich in Gesellschaft anderer fleißiger Schreiber befindet, ist man selbst motiviert, fleißig zu sein (der Effekt ist übrigens wissenschaftlich belegt).
Der Ablauf der Schreibnacht, die einmal im Monat stattfindet, ist wie folgt: Ab 20 Uhr kann man einem - mehr oder weniger - bekannten Gastautor Fragen stellen. Mit dem Schreiben geht es ab 21 Uhr so richtig los. Dazu gibt es stundenweise Etappen, für die man sich Ziele setzt. Und wenn man mag, kann man auch eine der Aufgaben aufgreifen und etwa das Wort "Panik" (Beispiel von der letzten Nacht) in seine Geschichte einbauen. Offizielles Ende ist dann nach sechs Etappen um 3 Uhr morgens - wenn man so lange durchhält.
Wie war nun meine erste Schreibnacht? Der Anfang war etwas zäh. Das Forum füllte sich mit Fragen an den Gastautor Markus Heitz, der mit dem Antworten erst einmal nicht hinterher kam. Parallel wurde in anderen Foren gechattet und auf Twitter geschrieben, so dass ich viel hin- und hergesprungen bin, um überhaupt mitzubekommen, was denn gerade wo läuft und wie die Community hier überhaupt tickt. Das ist überhaupt so ein Problem an der Sache: Man läuft Gefahr, vor lauter Nachlesen das Schreiben zu vergessen. Jedenfalls war es dann plötzlich doch schon 21 Uhr und die erste Etappe stand an.
Ich habe kürzlich überhaupt zum ersten Mal so etwas wie eine Kurzgeschichte geschrieben, die aber noch nicht ganz fertig ist. Zudem hatte ich den Anfang einer zweiten. Mein Ziel für die Schreibnacht war also, die Probleme mit der ersten Geschichte zu lösen und die zweite voran zu bringen.
Ausgangspunkt: Geschichte 1 hatte 1383 Wörter, ein paar Lücken und ein großes Plot Hole kurz vor dem Ende. Geschichte 2 war nur ein Anfang, mit 138 Wörtern.
In der ersten Etappe habe ich mich um meinem Erstling gekümmert. Die Geschichte hat ein Ende, aber der Ich-Erzähler trifft kurz vorher eine überraschende Entscheidung, die nicht begründet wird. Da fehlte eindeutig etwas. Auf der Suche nach diesem "Etwas" habe ich die Geschichte noch einmal vorsichtig revidiert und ein paar Formulierungen überarbeitet. Am Ende des Prozesses war der Text nur ein paar Worte länger und in mir die Erkenntnis gereift, dass der Schluss so bleiben muss. Meine Lösung: Der Leser muss sich die Erklärung für den Sinneswandel selbst zusammenreimen. Aber dazu muss ich natürlich entsprechende Hinweise weiter vorne im Text einstreuen. An diesem Punkt angelangt war die erste Etappe auch schon fast um und ich hatte nicht wirklich etwas geschrieben.
Das sollte sich nun in der zweiten Etappe ändern, daher habe ich mich der anderen Geschichte zugewendet und mir ein Ziel von 500 Wörtern vorgegeben. Fast 600 Wörter später war diese Etappe dann auch schon geschafft. Meine Geschichte hat, wie ich finde, einen guten Start hingelegt, drohte dann aber etwas zu Versanden. Ich wusste nämlich noch nicht, wie sie ausgehen soll.
Für die dritte Etappe ging es dann wieder zurück zu Geschichte 1, mit dem Ziel, die erwähnten Hinweise einzustreuen. Das erwies sich als harte Arbeit. Vor allem aber habe ich mich oft nicht getraut, Sätze zu verändern. Ich bin schon einige Male über die Geschichte drübergegangen und viele Absätze sind schon so aus einem Guss, dass ich sie nicht mehr ändern möchte. Was natürlich ein Problem ist, wenn da noch Inhalt fehlt. Am Ende dieser Etappe stand dann sogar ein negativer Word Count für die Geschichte.
Außerdem wurde ich langsam müde. Aber eine Etappe sollte doch noch drin sein, und so gab ich mir noch einmal 200 Wörter für Geschichte 2 vor. Mit fast 300 Wörtern habe ich auch dieses Ziel dann noch locker geschafft, aber so richtig voran hat es die Geschichte nicht gebracht. Ich hatte immer gehofft, dass mir beim Schreiben aufgeht, wohin die Story steuert, aber das hat sich - zumindest in diesem Fall - einfach nicht eingestellt.
Mittlerweile war es schon zwanzig vor Eins und für mich dann auch das Ende erreicht. Noch ein bisschen im Forum lesen und dann habe ich mich im schon bereit gestellten Ich-fall-ins-Bett-Thread verabschiedet.
Greifbare Resultate: Geschichte 1 hat jetzt nur noch 1379 Wörter. Immerhin bin ich mit dem Ende recht zufrieden. An der einen oder anderen Formulierung werde ich vielleicht noch schrauben, aber inhaltlich steht es. Weiter vorne fehlen noch ein paar Bröckchen. Da muss ich mich nur trauen, auch mal einen Absatz neu zu schreiben, um eben noch die erwähnten Hinweise einzubauen.
Geschichte 2 hat jetzt 1031 Wörter, aber vieles davon ist nur Auf-der-Stelle-Treten. Ich muss mir dringend ein Ende überlegen, auf das ich hin schreiben kann. Dabei wird bestimmt auch eine Menge Text wieder rausfliegen, aber das ist dann eben so.
Zur Erinnerung: Dies sind meine ersten Versuche, überhaupt irgend eine Art von Fiction zu schreiben. Bis vor Kurzem konnte ich mir überhaupt noch nicht vorstellen, wie das gehen soll, sich eine Geschichte auszudenken und dann auch noch halbwegs interessant zu erzählen. Bei meinen Sachtexten hat der Ansatz, einfach drauf los zu schreiben, immer gut funktioniert. Normalerweise ist das Thema und die Aussage ja auch schon vorher klar. Meine beiden Kurzgeschichten-Versuche basieren jeweils auf einer Idee in Form einer zentralen Szene. Aber das ist eben nicht vergleichbar mit der Aussage eines Sachtextes. Ich muss mir auch überlegen, was davor und danach passiert und dann erst versuchen, das in Worte zu fassen.
Das sind bestimmt Anfängerfehler, aber irgendwo muss ich ja mal anfangen :)
Erkenntnisse: Ich bin doch eher der Am-Morgen-Schreiber. Das wusste ich zwar schon vorher, aber ich wollte es eben mal ausprobieren. Insofern ist die Schreibnacht für mich nicht so geeignet, wirklich Fortschritte an den Texten zu erzielen, die mir am Herzen liegen. Ich denke, ich sollte mir eher ein Spielprojekt zurechtlegen und dann auch mal die Aufgaben versuchen umzusetzen und Spaß damit zu haben. Ich habe z.B. nicht vor, Science Fiction zu schreiben, aber vielleicht gehe ich einfach mal mit einer SF-Idee in die nächste Schreibnacht und spiele ein bisschen damit herum. Wegwerfen kann ich den Text hinterher immer noch und am Prozess lerne ich sicher noch etwas, was ich dann auch einmal an einem "richtigen" Text anwenden kann.
Und jetzt lese ich erst einmal nach, was ich da letzte Nacht im Halbschlaf so in Geschichte 2 geschrieben habe ...
(Photo: Tapping a pencil, by Rennett Stowe, from Flickr, CC BY)