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Warum man einen Livescribe Pen nicht bei eBay kaufen sollte

... jedenfalls nicht ohne Zubehör.

Allen Fortschritten bei Grafiktablets oder Tablets mit Stylus zum Trotz: Das beste Medium, um mal schnell etwas zu notieren oder zu skizzieren, ist immer noch Papier. Nur kommt man in unserer modernen Welt dann schnell an den Punkt, an dem man die schnell hingeworfene Notiz doch irgendwie in digitaler Form braucht.

Für dieses Problem gibt es viele Lösungsansätze und viele davon habe ich schon durchprobiert (und z.T. auch noch in Gebrauch). Ein besonders faszinierender Ansatz sind die so genannten Smart Pens oder auch Digital Pens.

Die Idee ist, dass man zwar einerseits auf Papier schreibt, andererseits aber parallel dazu und mehr oder weniger automatisch auch eine digitale Kopie der Notiz oder Skizze erstellt wird. Und auch hierzu gibt es wieder viele unterschiedliche Ansätze mit unterschiedlichen Technologien.

Schon länger am Markt ist die Firma Livescribe mit ihrem Ansatz: Die Smart Pens von Livescribe benötigen spezielles Papier, denn in der Spitze des Stifts steckt eine Kamera, die ein feines Punktraster auf dem Papier zur Orientierung verwendet. Das System wollte ich mal ausprobieren - aber die Preise für die Stifte sind nicht eben niedrig und wer weiß, ob ich mich damit überhaupt anfreunden kann. Also: Auf zu eBay.

Auch bei eBay sind die diversen Livescribe-Stifte sehr beliebt und so dauerte es einige Wochen, bis ich ein Exemplar zu einem für mich noch akzeptablen Preis ergattern konnte. Der Stift wurde dann auch problemlos geliefert. Aber da liegt auch schon das erste Problem: Ich hatte nur einen Stift ersteigert, ohne jegliches Zubehör.

Erste Aufgabe: Den Stift aufladen. Micro-USB-Kabel finden sich zum Glück auch in einem Mac-Haushalt.

Dann: Um den Stift zu aktivieren, muss man einen Account bei Livescribe anlegen und einen Code eingeben, der auf dem Display des Stifts angezeigt wird. Dass dieses Display im Laufe der Zeit wohl nachdunkelt und schlechter lesbar wird, hatte ich schon gelesen. Wie alt genau mein Exemplar ist, weiß ich nicht, aber die Lesbarkeit des Displays lässt schon sehr zu wünschen übrig. Dazu kommt dann noch der UX-Fail, dass der so wichtige Aktivierungscode in einer Laufschrift(!) angezeigt wird und wegscrollt. Ich habe ihn bestimmt ein Dutzend mal vorbeilaufen lassen, bevor ich einigermaßen sicher war, ihn richtig gelesen zu haben. Und selbst dann habe ich noch drei Versuche gebraucht, bis die Livescribe-Website ihn akzeptieren wollte.

No Go ohne das Papier

Und dann war's das, vorerst. Denn an dieser Stelle kommt man ohne das Livescribe-Papier nicht weiter. Auf dem Papier bzw. speziellen Karten sind nämlich auch noch Steuersymbole abgedruckt, die der Stift erkennt und mit denen man z.B. eine Aufnahme startet oder den Stift mit dem WLAN verbindet (ich habe einen Livescribe Wifi). Theoretisch kann man das Papier auch selbst ausdrucken. Mein - schon etwas betagter - Laserdrucker hat sich an der Vorlage aber verschluckt (und wahrscheinlich hätte es eh nicht funktioniert, da es ein Schwarzweiß-Drucker ist, das Livescribe-Papier aber eher in hellen Blautönen gehalten ist). Der Drucker im Coworking hat nach sehr langer Zeit eine Seite mit Steuersymbolen produziert, die aber nicht funktionierte. Im Vergleich mit den Originalen sind sie etwas größer, also wohl skaliert worden, was der Stift nicht mag.

Also musste ich in den sauren Apfel beißen und das Original-Papier kaufen (gibt's z.B. bei Gravis in Stuttgart direkt im Laden). Die Preise reichen umgerechnet von 7 Cent pro A5-Seite über 9 Cent pro A4-Seite bis hin zu 15 Cent pro Seite im schicken Notizbuch. Da überlegt man es sich natürlich schon zweimal, ob man jetzt mal so schnell etwas auf so eine Seite kritzeln will ...

Lange Vorrede, kurzer Sinn: Mit dem Originalpapier und den darauf befindlichen Steuersymbolen funktionierte der Stift dann auch endlich.

Software, or lack thereof

Ein Wort zur Software-Seite: Der Livescribe Wifi kommt, anders als andere Livescribe-Stifte, ohne eigene Software daher. Stattdessen überträgt er alle Aufzeichnungen zu Evernote. Es ist eben der Versuch einer Art "Cloud Pen". Gut daran ist, dass Livescribe gar nicht erst versucht hat, einen eigenen Cloudservice aufzubauen (hallo, Wacom). Der Nachteil, wie bei allen solchen Services: Will man wirklich seine Notizen auf einem Server irgendwo da draußen liegen haben?

Für den Fall, dass der Stift mal keine WLAN-Verbindung hat, gibt es noch eine kleine Helfer-App (für OS X und Windows), die die Daten per USB-Kabel vom Stift holt und zu Evernote überträgt. Die Daten nur lokal zu halten ist - zumindest beim Livescribe Wifi Pen - nicht vorgesehen.

Zwischenfazit

Nachdem Stift jetzt also funktioniert: Wie gut funktioniert er in der Praxis? Mit dem sündhaft teuren Papier hält er, was die Werbung verspricht. Man kann einfach den Notizblock aufschlagen und losschreiben (Stift anschalten nicht vergessen). Eine Besonderheit der Livescribe Pens ist, dass man auch schon beschriebene Seite nachträglich noch ergänzen kann. Der Stift unterscheidet also die einzelnen Seiten und erkennt sie wieder. In dem Punktraster steckt also auch so etwas wie eine Unique ID jeder Seite.

Das Synchronisieren des Geschriebenen funktioniert gut - wenn der Stift das WLAN noch findet. Im Moment mag der Livescribe Wifi gerade mein Heimnetzwerk nicht finden (auch nicht nach wiederholter Suchaufforderung). Dafür nimmt er gerne Freifunk. Vor ein paar Tagen war's noch umgekehrt ...

Etwas störend finde ich noch die Bestätigungstöne, die der Stift von sich gibt, wenn er eines der Steuersymbole erkannt hat. Die dürften in einem leisen Umfeld unangenehm auffallen. Leider lässt sich die Lautstärke offenbar nicht einstellen.

Noch nicht wirklich verwendet habe ich die Möglichkeit, Audio aufzuzeichnen. Man kann damit z.B. einen Vortrag mitschneiden während man sich dazu Notizen macht. Audio und die Notizen werden dann zusammen synchronisiert und bei Livescribe gibt es eine Möglichkeit, diese dann synchron wieder abzuspielen, so dass man also sieht und hört, an welcher Stelle man welche Notizen gemacht hat.

Für ein abschließendes Fazit ist es jedenfalls noch zu früh. Ich werde den Stift jetzt erst einmal weiteren Praxistests unterziehen. Unter den Smart Pen-Variationen ist bisher noch der Wacom Bamboo Spark mein Favorit. Auch dieser hat so seine Macken - und die Livescribe-Stifte haben eben andere. Welche in der Praxis am wenigsten nerven, muss am Ende jeder für sich selbst entscheiden.

Pro:

  • Works as advertised - wenn er denn einmal eingerichtet ist und man das richtige Papier hat.

Contra:

  • Das Display ist eine Zumutung - sehr klein und praktisch nur im Schatten abzulesen.
  • Dass der Aktivierungscode in einer Laufschrift durchläuft ist ein klarer UX-Fail.
  • Ohne das teure Livescribe-Papier geht gar nichts. Selbstausdrucken hat zumindest seine Tücken.
  • Launische WLAN-Erkennung.
  • Bestätigungstöne sind in leisen Umgebungen störend.

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Warum man einen Livescribe Pen nicht bei eBay kaufen sollte
Autor: Dirk am Mittwoch, 27. Januar 2016, 12:00 Uhr

So, nachdem ich den Livescribe Pen bisher nur zuhause verwendet hatte, habe ich mich nun erstmals damit in die freie Wildbahn gewagt, nämlich auf die LearnTEC in Karlsruhe. Zu der Messe gab es auch Vorträge in offenen, so genannten Foren. Sprich, da stand eine Leinwand und ein Sprecher und es gab Sitzgelegenheiten, das ganze war aber zum restlichen Messegeschehen hin offen und es lief ständig Publikum vorbei. Für die Redner war das wahrscheinlich ähnlich unangenehm wie eine Situation, in der ich mich einmal befand.

Aber zurück zum Stift: In dem hellen Messe-Umfeld war das schlecht ablesbare Display praktisch ein KO-Kriterium: Ich konnte beim besten Willen nicht erkennen, ob der Stift nun an oder aus ist. Man kann sich in der Situation behelfen, indem man den Stift auf ein harmloses Symbol-Icon richtet (etwa: Batteriestatus anzeigen) und auf den Signalton hört. Nur war der - so laut er auch im trauten Heim zu sein schien - in dem Messelärm nicht zu hören. Na super. Folge: Notizen zu den ersten beiden Vorträgen habe ich mit einem herkömmlichen Stift gemacht (mit einem ggfs. ausgeschalteten Stift auf dem Spezialpapier zu schreiben ist auch irgendwie doof).

Später habe ich einen zweiten Anlauf unternommen und es wenigstens hinbekommen, den Stift anzuschalten und das auch zu erkennen. Dann wollte ich auch gleich mal den Audio-Mitschnitt testen und habe auf das Aufnahme-Symbol getippt. Am Ende hatte ich aber nur von einem der beiden Vorträge eine Aufnahme, warum auch immer.

Viel schlimmer fand ich indes, dass die Schriftqualität der Mitschrift so enttäuschend ausfiel. Die Überschrift hier habe ich sorgfältig und in aller Ruhe vor dem Beginn des Vortrag geschrieben, sie ist aber kaum lesbar. Auch die andere Mitschrift hat so ihre Schwächen, die ich mir nicht erklären kann (siehe die erste Zeile unter "Stufen der Interaktion"). Ob's am hellen Hallen-Licht lag?

Ich war ja eh schon nicht restlos von dem Livescribe Pen begeistert. Sein Hauptvorteil gegenüber anderen Lösungen ist m.E., dass man auch später noch Ergänzungen an einer Seite anbringen kann. Aber wenn er sich in der "echten" Praxis so schlecht schlägt ...