Karl Bartos in den Wagenhallen
Mit dem Namen Karl Bartos können wahrscheinlich viele nichts anfangen. Mit dem Namen seiner alten Band dagegen schon: Kraftwerk. Die Chance, in eins der seltenen Konzerte der wieder aufgefüllten Kult-Band (hier ist der Begriff mal angebracht!) zu kommen, sind für uns Normalsterbliche ja nahe Null. Ein Auftritt von einem (Ex-)Viertel von Kraftwerk ist daher das Nächstbeste - und Pflicht für alle, die an elektronischer Musik interessiert sind.
Bleibt die Frage: Wird er auch Stücke seiner Ex-Band spielen?
Während sich die Halle füllte (es war gut gefüllt, aber in der Nähe der Bühne war auch während des Konzerts noch Luft) war erst einmal Warten angesagt. Auf der Bühne waren drei Pulte mit allerlei Laptops und Synthesizern aufgebaut, dahinter wurden von drei Projektoren drei Displays versorgt, einstweilen nur mit grünem Flimmern, das wohl an die alten Computer-Grünbildschirme erinnern sollte. Irgendwann begannen dann, äh, Klänge aus den Lautsprechern zu kommen - Elektronische, aber ohne Struktur, dazu Versatzstücke von Jünglingsgesang (Stockhausen lässt grüßen?).
(Ich habe ja die Theorie, dass die Musik, die vor Konzerten gespielt wird, absichtlich so schlecht ist, damit das anschließende Konzert gleich von vornherein als besser empfunden wird. Sollte die Theorie zutreffen, hat es heute wieder einmal sehr gut funktioniert.)
Schließlich kamen dann zwei Musiker auf die Bühne und besetzten die Pulte links und rechts. Karl Bartos selbst stand noch eine Weile am Bühnenrand, bevor er die Mitte übernahm.
Die Frage nach Kraftwerk-Stücken wurde auch gleich beantwortet: Das erste Stück war "Numbers". Sehr früh gab es auch "Computerwelt" zu hören. Über den Rest des Abends verteilt folgten dann noch so ziemlich alle Klassiker (ohne Anspruch auf korrekte Reihenfolge): "Taschenrechner", "Home Computer", "The Robots", "Trans-Europa-Express", "Tour de France", "Das Model" sowie zum Abschluss "Neonlicht". Dazwischen Stücke von Karl Bartos, nicht nur vom aktuellen Album Off the Record.
Alle Stücke waren an diesem Abend von starken Beats unterlegt, was aber recht gut funktionierte. Bartos und Co. verschanzten sich die ganze Zeit über hinter ihren Pulten, während die Leinwände mal Videos, mal eher Abstraktes zeigten (übrigens immer das Gleiche auf allen drei Leinwänden - aus dem Setup hätte man sicher auch mehr machen können).
Für ein Stück kam Karl Bartos dann doch einmal hinter seiner Barriere hervor und sang vom rechten Bühnenrand aus einen Song. Ich bin mit seinem Solowerk nicht ganz vertraut, daher kannte ich das Stück jetzt nicht. Es war - inhaltlich, nicht musikalisch - so etwas wie die Bartos-Variante von "I'll do it my way", vermutlich geschrieben im Hinblick auf die immer wieder angesprochene Verbindung zu seiner Ex-Band.
Das Ende des Konzerts zeichnete sich ab, als sich die Videos zu wiederholen begannen (alle bisherigen Videos im Schnelldurchlauf als Untermalung zu "Ultraviolett"). Danach gab es noch "Neonlicht", nach dessen Gesangspart sich die Band schon verabschiedete, während die Computer das Stück noch zuende spielten.
Auf den Leinwänden lief nun ein Abspann, wieder untermalt von irgendwelchen Klängen. Das war etwas unfair dem applaudierenden Publikum gegenüber - wie sollten wir denn wissen, ob unser Applaus auch gehört wird (Danke an die Mitstreiter, die laut pfeifen können - das zumindest konnte man deutlich hören).
Die Band kam dann aber doch noch zu einer einzigen Zugabe zurück, dann war endgültig Schluss.
Engeren Körperkontakt hatte ich dann erstmals in der Schlange, die am Signiertisch anstand (das hätte man sicher etwas geordneter organisieren können, aber es blieb friedlich). Als Karl Bartos meine CD signierte, konnte ich mir die Frage nicht verkneifen, ob jetzt nicht ein guter Zeitpunkt wäre, eine aktualisierte Version von "Computerwelt" zu veröffentlichen - mit NSA statt BKA, vielleicht. Die Antwort war unverbindlich und auf die Nachfrage, wer denn eigentlich die Rechte daran hat, meinte er nur "das hab' ich vergessen". Ob das jetzt die höfliche Version von "damit will ich nichts zu tun haben" war?
Fazit: Tolles Konzert mit viel Nostalgie und geweckter Lust, nun auch das Solowerk von Karl Bartos mal näher zu erforschen. Und näher an ein "richtiges" Kraftwerk-Konzert komme ich in diesem Leben wahrscheinlich ohnehin nicht mehr.