Nichts kapiert

Vor dem Frühstück schon die Schlagzeile der Zeitung zu lesen ist immer ein Fehler: "Wolf will Anreize für Flüchtlinge verringern". Meine erste Reaktion ist nicht druckreif. Dann habe ich es mit Ironie versucht: "Oh toll, er will den Krieg in Syrien beenden!".

Und dieser Mann will Ministerpräsident von Baden-Württemberg werden. Wer angesichts der Bilder aus Ungarn und Österreich oder der Fotos von ertrunkenen Kindern immer noch in "Wirtschaftsflüchtlingen" denkt, der hat nicht nur das Problem nicht verstanden, der lebt einfach in einer Parallelwelt.

Passend dazu der Artikel in der gleichen Ausgabe, wonach die Anzahl der Asylbewerber etwa aus dem Kosovo (die eh praktisch keine Chance auf Anerkennung hatten) drastisch abgenommen hat - nachdem man dort schlicht Zeitungsanzeigen geschaltet hat, die die Versprechungen der Schlepper geraderücken. Kein Grund also, die Situation für alle anderen Flüchtlinge gleich auch noch zu verschlechtern.

In einem Punkt stimme ich mit Herrn Wolf aber tatsächlich überein, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen: Auch ich bin gegen eine Grundgesetz-Änderung. Vor allem aber aus grundsätzlichen Erwägungen: Wir dürfen nicht bei jeder kleinen Krise gleich an unserer Verfassung herumbasteln. Das senkt nur die Hemmschwelle, falls einmal eine wirklich gefährliche Änderung ansteht. Und schon gar nicht darf das Grundgesetz "mal so eben schnell" geändert werden. So einem Schritt muss immer einen ausführliche, breit aufgestellte, ruhige und sachliche Debatte vorausgehen. Also genau das, was angesichts des aktuellen politischen Klimas gerade nicht möglich ist. Finger weg vom Grundgesetz. Die aktuelle Situation bekommen wir auch so schon in den Griff - wenn wir wirklich wollen, und wenn wir die richtigen (nicht: stammtisch-tauglichen) Maßnahmen ergreifen.