Magnatune - die nicht-böse Plattenfirma
Mittlerweile öffnet ja beinahe jede Woche irgendwo ein neuer Online-Musikdienst (und die ersten schliessen auch schon wieder). Magnatune dagegen ist schon eine Weile im Geschäft (seit 2003) und hebt sich auch in einigen anderen Aspekten von der breiten Masse ab.
"Wir sind eine Plattenfirma - aber wir sind nicht böse". So lautet das Motto von Magnatune. Und damit ist auch schon der erste Unterschied zu den anderen Anbietern herausgestellt. Denn während iTunes und Co. nur die Musik vertreiben, die ihnen von kleinen und großen Plattenfirmen zur Verfügung gestellt wird, nimmt Magnatune selbst Künstler unter Vertrag und bietet deren Musik zum Download und zum Kauf an.
Es besser machen
Ausschlag für die Gründung von Magnatune gab die persönliche Erfahrung, die die Frau des Gründers mit ihrer Plattenfirma machen musste: Trotz 1000 verkaufter CDs betrug ihr Erlös ganze 137 Dollar(!). Und dabei war das Label, wie Magnatune-Gründer John Buckman betont, noch eines von "den Guten".
Mit Magnatune will man es nun besser machen und so werden die Einnahmen 50:50 zwischen dem Künstler und der Plattenfirma (eben Magnatune) aufgeteilt.
Das Konzept bringt es natürlich mit sich, dass bei Magnatune nur praktisch unbekannte Künstler unter Vertrag sind (derzeit 181 Interpreten). Doch das sollte niemanden davon abschrecken, einmal in das Angebot hineinzuhören. Und auch das läuft bei Magnatunes etwas anders als bei den anderen Anbietern.
Probehören
In erfreulichem Gegensatz zu den 30-Sekunden-Hörproben, die die Konkurrenz anbietet, kann man sich bei Magnatune nämlich alle Alben komplett als Webstream anhören, und das dazu noch in guter Qualität (128 kBit MP3). Dabei kann man wahlweise selbst durch die Alben der Interpreten stöbern und einzelne Stücke oder ganze Alben am Stück probehören, oder man wählt einen der genre-spezifischen "Radio"-Webstreams und lässt sich einfach überraschen, was da so kommt.
Nach nicht sehr zielgerichtetem Herumklicken in der Kategorie Rock and Pop bin ich beispielsweise bei Myles Cochran hängen geblieben: "Folky, shoe-gazing, relaxed rock songs", so die Beschreibung. Ich gebe zu, das "shoe-gazing" hatte mich neugierig gemacht. Schon nach den ersten Songs spiele ich ernsthaft mit dem Gedanken, die Musik gleich zu kaufen und nach dem vierten Track, "Hidden", sehe ich mich dann auch schon einmal um, wie das hier mit dem Kaufen eigentlich funktioniert.
Formate und Preise
Die Musik kann man wahlweise nur als Download oder als CD kaufen. Für die Musik bezahlt man in beiden Fällen die gleiche Summe (dazu gleich mehr), für den Kauf einer CD wird ein fester Aufpreis von $7,97 (für Kunden ausserhalb der USA) zusätzlich fällig, der die Kosten für die CD sowie den Versand abdeckt. Netterweise darf man sich die Musik zusätzlich noch herunterladen, wenn man die CD kauft, so dass man nicht erst auf das Eintreffen der CD warten muss.
Beim Download-Kauf hat man die Auswahl zwischen vielen verschiedenen Formaten: WAV, FLAC, Ogg, AAC und drei Sorten MP3 (128 kBit, 256 kBit und VBR). Die FAQ gibt unentschlossenen Käufern auch gleich Tipps, welches Format am besten für welchen Anwendungszweck geeignet ist.
Was man für die Musik dann bezahlt, bleibt dem Käufer überlassen. Doch, wirklich. Aber natürlich kann man nicht einfach sagen "ich zahle nur einen Cent". 5 Dollar bzw. 4 Euro sind das Minimum und 8 Dollar bzw. 6 Euro werden als "Richtpreis" empfohlen. Dazwischen kann man aber in 1er-Schritten bis hinauf zu 18 Dollar bzw. 14 Euro bezahlen, wenn einem die Musik wirklich so gut gefällt.
Funktioniert das? Offenbar. Laut der Statistik-Seiten haben Käufer diesen Monat schon bis zu 11,80 Dollar bezahlt (für das Album "Tigers" von Lisa DeBenedictis).
Größere Verbreitung
Mittlerweile hat Magnatune auch eine Vereinbarung mit dem Independent-Label CD Baby geschlossen, das darauf abzielt, die bei Magnatune unter Vertrag stehenden Künstler auch in die bekannten Onlineshops zu bringen (darunter auch die schon an anderer Stelle besprochenen Audiolunchbox und eMusic sowie den iTunes Music Store). Die Vereinbarung ist noch recht neu (Februar 2005) und so wird es noch eine Weile dauern, bis Magnatune-Interpreten in größerem Umfang bei den großen Shops auftauchen. Doch schon jetzt sind einige interessante Folgen absehbar.
Cargo Cult beispielsweise ist ein bei Magnatune unter Vertrag stehendes 1-Mann-Projekt im Bereich elektronische Musik. Dessen Album "Alchemy" kann man schon jetzt in den verschiedenen Shops gegen Bezahlung herunterladen. Bei Audiolunchbox.com zahlt man dafür dann 8,99 Dollar, bei MP3tunes.com 8,88 Dollar, im iTunes Music Store stolze 9,99 Euro und bei eMusic.com ca. 3 Dollar (das Album hat 12 Titel, beim kleinsten eMusic-Abo zahlt man etwa 25 US-Cent pro Titel).
Die größte Auswahl an Dateiformaten bietet dabei Magnatune selbst, gefolgt von Audiolunchbox (MP3-VBR und Ogg). Bei den anderen Anbietern ist man auf ein Format beschränkt (192 kBit-MP3s bei MP3tunes, VBR-MP3 bei eMusic, AAC im iTMS).
DRM-Entfernen erlaubt
Besonders kurios ist dabei, dass man im iTunes Music Store DRM-geschützte Dateien bekommt, wo die Musik selbst doch unter der sehr viel liberaleren Creative Commons-Lizenz steht. Konsequenterweise erlaubt Magnatunes-Chef John Buckman dann auf Nachfrage auch ausdrücklich, dass man das DRM entfernen dürfe. Von welchem Plattenboss hat man schon einmal solch eine Aussage bekommen?
Die Vorteile des Vertriebs über andere Online-Shops sind natürlich, dass die Musik so einem breiteren Publikum zugänglich gemacht wird. Auch kann man bei den anderen Shops, im Gegensatz zu Magnatune selbst, auch nur einzelne Titel käuflich erwerben. Wenn man dagegen an ganzen Alben interessiert ist, fährt man bei Magnatunes im Normalfall günstiger (Ausnahme: eMusic).
Der Kauf
Nachdem ich mir das Album "Marginal Street" des schon erwähnten Myles Cochran zweimal komplett per Stream angehört hatte, stand fest - das muss ich haben. Man will sich ja auch nicht lumpen lassen, und so entschied ich mich, statt der empfohlenen 8 immerhin 9 Dollar zu zahlen. Nach erfolgter Zahlung (per Kreditkarte oder Paypal) bekommt man einen Download-Code (Username und Passwort) angezeigt und auch nochmal per E-Mail übermittelt (sofern man sich entschlossen hat, eine E-Mail-Adresse zu hinterlassen - es geht auch ohne). Mit diesen Informationen kann man nun 60 Tage lang das erworbene Album beliebig oft herunterladen.
Da ich Musik ohnehin meist auf meinem iPod höre, entschied ich mich für die VBR-MP3s, was in diesem Fall zu einem Download von gut 100 MB (noch einmal verpackt als Zip-Datei) führte. Der Download verlief flott - mit meinem 1024er-DSL erreichte ich konstante 115 KByte/sec und nach knapp 14 Minuten hatte ich das Werk auf der Platte. Jetzt muss ich nur noch den nötigen Platz auf meinem ständig vollen iPod freischaufeln ...
Zusätzlich zur Musik kann man sich auch noch ein PDF mit dem Album-Cover herunterladen. Im vorliegenden Fall bestand dies schlicht aus dem Front-Cover (einseitig) sowie der Einlage für die Rückseite des Jewelcase, beides in Farbe und vermutlich gescannt. Ob man bei anderen Interpreten umfangreichere Dateien (evtl. das ganze Booklet) bekommt, war der Website nicht zu entnehmen. Die Texte für "Marginal Street" findet man immerhin auf der Homepage von Myles Cochran.
Fazit
Magnatune ist die erfreulich andere Plattenfirma. Hier steht eindeutig die Musik im Mittelpunkt und man versucht, dem Erwerb derselben so wenig als möglich im Wege zu stehen (und dabei trotzdem noch Geld zu verdienen). Durch die betont freundliche Atmosphäre wird der Kunde dann angeregt, evtl. auch etwas mehr als den empfohlenen Preis zu zahlen. Dass das Ganze funktioniert zeigt alleine schon die Tatsache, dass die Firma immer noch existiert. Und mit dem o.g. CD Baby-Deal ist auch dafür gesorgt, dass bald mehr Leute den Namen "Magnatune" kennen lernen werden.