Fish im LKA
Wann war ich denn zuletzt im LKA? Eine kurze Durchsicht der an der Wand angepinnten Konzerttickets ergab: 2006, als da ein gewisser Fish anlässlich des 20ten Jubiläums des Marillion-Albums Misplaced Childhood spielte (das 1985 erschien - die Jubiläumstour hatte wohl etwas gebraucht, bis sie Stuttgart erreichte).
Und nun also wieder Fish und wieder Misplaced Childhood. Ein letztes Mal, so die Ansage, wolle Fish auf dieser Tour das Album live spielen, pünktlich zum 30-jährigen.
Im LKA hat sich seit meinem letzten Besuch nicht viel verändert - jedenfalls nichts, das mir aufgefallen wäre. Voll war es auch. Und während dann kurz vor 20 Uhr die Bühne (und die ersten Reihen) eingenebelt wurden, konnte man im "VIP-Bereich" oben Herrn Fish für Fotos posieren sehen.
Erst einmal gab es aber eine Vorgruppe, die pünktlich um 20 Uhr auf die Bühne kamen. Lazuli sind aus Frankreich. Optisch erschienen drei der fünf Bandmitglieder in einer Art Kelten-Look, die beiden anderen waren normal gekleidet (und frisiert). Von der Musik her bewegten sie sich irgendwo zwischen Hardrock und Folk, denn auch ein Xylophon und ein Blechblasinstrument aus der Familie der Hörner kamen zum Einsatz. Beim Publikum kam die Mischung gut an. Es gab viel Beifall, vor allem auch für die Nummer am Schluss, als alle fünf zusammen Xylophon spielten.
Nach der Umbaupause dann also Mr. Derek Dick, besser bekannt als Fish. Zum Einstieg gab es erst einmal drei seiner eigenen Songs.
Dann wandte er sich in einer längeren Erzählung und Ansprache ans Publikum. Ich kann seine Botschaft, die er überzeugend, und mit Nachdruck in einer Mischung aus Deutsch und Englisch vorgebracht hat, hier nur unzureichend wiedergeben, aber ich versuche es einmal: Er erzählte von einem Tunesien-Urlaub, als plötzlich die Nachrichten über einen Angriff auf eine ähnliche Touristen-Oase in Marokko eintrafen. Und die Angst. Und dass dieses Angst immer wieder einmal hochkommt, wenn ähnliches wieder passiert, wie eben zuletzt in Paris, das er nur am Ende einer langen Reihe von Terror-Attacken auf Zivilisten anführte. 1996, so erzählte er weiter, habe er in Bosnien erlebt, wie in dem einen Dorf die Christen die muslimische Minderheit angefeindet und eingeschüchtert habe und im nächsten Dorf war es mit muslimischer Mehrheit und christlicher Minderheit genau umgekehrt. Auch hier ging es wieder um die Angst. Die Flüchtlinge, die jetzt zu uns kommen, fliehen genau vor dieser Angst. Sie suchen Schutz bei uns. Sie bringen nicht den Terror, sie fliehen vor ihm. Mit Religion habe das alles wenig zu tun - es sei Terror, nicht Religion. Und dann spielte er den Song, den er 1996 zu dem Thema geschrieben hat.
Damit der Abend nicht zu bedrückend wurde, gab Fish im Anschluss die Story vom peinlichsten Auftritt seiner Karriere zum besten, der 1985 in der Stuttgarter Schleyer-Halle passiert sei. Da ist ihm nämlich die Hose im Schritt aufgerissen und sein bestes Stück wurde freigelegt. Er habe dann dem Gitarristen zugerufen, das Solo etwas länger zu machen, während er versuchte, halbwegs würdevoll die Bühne zu verlassen und eine neue Hose zu organisieren. Auf die Frage "Wer war dort?" meldeten sich tatsächlich ein gutes Dutzend Zuschauer.
Und dann kam Misplaced Childhood, in Gänze. Und natürlich konnten alle den kompletten Text auswendig. Was muss man da noch mehr sagen? 50 Minuten Nostalgie pur.
Unter stürmischem Applaus verlies die Band die Bühne, ließ sich aber schon sehr bald wieder herbeiklatschen. "Market Square Heroes" war die erste Zugabe. Nach erneutem Abgang und Wiederauftritt gab es noch "The Company", dann war endgültig Schluss. Und tatsächlich waren schon zwei Stunden vergangen, obwohl es sich doch so viel kürzer angefühlt hatte.
Am Ende verabschiedete sich Fish mit "bis zum nächsten Mal". Wenn das wieder zehn Jahre dauern sollte, weiß ich aber nicht, ob ich dann noch einmal hingehen sollte. Denn, seien wir ehrlich, die Stimme ist schon nicht mehr die alte. Und obwohl erst Ende Fünfzig, fiel doch auf, dass er sich während der Gitarrensoli gerne einmal auf der Ecke des Schlagzeug-Podests niederließ. Umso mehr hat mich die erste Zugabe überrascht - da hatte ich eher mit einem langsamen Song als Verschnaufpause gerechnet. Und, das muss man klar sagen, die Ausstrahlung und Bühnenpräsenz hat er immer noch.
Fazit: Schöner Nostalgie-Abend, der über die kleinen Schwächen hinwegsehen lässt.