Amanda Palmer in Köln
(Mit etwas Verspätung - das Konzert fand bereits am Donnerstag statt)
Fast auf den Tag genau drei Jahre ist es her, dass ich Amanda Palmer zuletzt "in concert" gesehen habe (okay, da war noch etwas in London, aber das zählt nicht als Konzert), ebenfalls in Köln. In diesen drei Jahren hat sich viel getan in Amandaland und so war auch das Konzert ein ganz anderes als damals.
Die Ankündigung war klar: Dies war ein Solo-Programm. Es gab keine Band, sondern nur Amanda am Klavier und natürlich - nicht angekündigt, aber unvermeidlich - an der Ukulele. Passend dazu hatte sie gerade das Album Theatre Is Evil, das im Mittelpunkt der 2013er-Tournee stand, als Piano-Version neu eingespielt und folgerichtig Piano Is Evil getauft.
So ein Abend am Klavier kann ja auch schiefgehen, wie ich dieses Jahr schon erfahren musste. Aber, um es vorweg zu nehmen, bei Amanda Palmer bestand diese Gefahr zu keinem Zeitpunkt des langen Abends.
Zunächst einmal mussten wir uns in Geduld üben. Schon deutlich nach 20 Uhr, der angekündigten Startzeit, tat sich immer noch nichts auf der Bühne. Dafür hatte Amandas kleiner Sohn Anthony einen Gastauftritt und spielte mit dem Publikum durch eine Lücke im Vorhang "Kuckuck". Dann kam irgendwann von hinten die Durchsage "We're working on the lighting ...". Alle drehten sich um und da stand Amanda an der Seite auf einem Tresen, zunächst noch mit Notbeleuchtung durch einen in der Hand gehaltenen Scheinwerfer, und mit der unvermeidlichen Ukulele. Und dann intonierte sie - Heintje, "Ich bau Dir ein Schloss" (auf deutsch). Nachdem das Lichtproblem gelöst war, gab's noch "Creep" obendrauf. Danach eilte sie von dort zur Bühne - die Ukulele voran, um die Massen zu teilen. Eine flüchtige Berührung im Vorbeihuschen und mit etwas Hilfe aus der ersten Reihe schaffte sie es schließlich hoch auf die Bühne. Die sie dann für eine sehr lange Zeit nicht mehr verließ.
Schon nach dem zweiten Song am Klavier gab's dann eine improvisierte Einlage. Sie hatte nämlich ihre Setlist nicht parat und holte daher erst einmal Wünsche vom Publikum ein, fein säuberlich auf einem Zettel notiert. Einige davon wurden gleich abgearbeitet, danach ging es mit der mittlerweile eingetroffenen geplanten Liste weiter. Erst gegen Ende des Konzerts fiel dann allen Beteiligten wieder ein, dass sie gar nicht alle Wünsche gespielt hatte.
Abgesehen davon, dass fast alles am Klavier stattfand, war es dann aber doch ein "normales" Amanda-Palmer-Konzert. Sie spielte Songs und erzählte Geschichten - manchmal zu den Songs, manchmal zu etwas ganz anderem. Es gab eine Einlage mit einer "elektrischen Ukulele", die einem Fotografen namens Frank gehört, der zufällig eine ganze Ukulele-Sammlung besaß und sie ihr vor dem Auftritt gezeigt hatte. Zu "Should I stay or should I go" von The Clash organisierte Amanda noch eine Mosh Pit im Publikum und holte ein Mädel auf die Bühne, die eigentlich die Songzeilen live ins Deutsche übersetzen sollte, damit aber nicht wirklich zurecht kam. Egal, auch die Situation wurde irgendwie gemeistert und zur Belohnung gab's für sie eine Runde Crowdsurfing.
Ein Höhepunkt aus meiner Sicht waren die Duette mit Whitney, deren Rolle mit "gute Freundin" wohl nur unzureichend beschrieben ist (u.a. agiert sie auch als Tourmanager und war die Hebamme bei der Geburt von Klein-Anthony). "Delilah" geht mir jedes Mal an die Nieren und dieses Mal war es nicht anders. Es folgte mit Paperback Writer noch ein Beatles-Cover. Kleines Detail am Rande: Im Text wird die Daily Mail erwähnt, was von Amanda mit einem Stinkefinger kommentiert wurde, aus Gründen.
Jetzt hätte ich beinahe geschrieben, dass der Abend sich hinzog, aber das trifft es gar nicht, denn langweilig war es nie. Aber als ich das erste Mal auf die Uhr schielte, waren wir schon an der 2-Stunden-Marke und das hatte ich auch nur getan, weil ich langsam zu spüren begann, dass ich schon sehr lange stand. Die schlechte Luft (trotz gelegentlicher Lüftungen) half da auch nicht. Es war sogar schon jemand ganz zu Anfang des Konzerts umgekippt und, na ja, ich bin eben auch nicht mehr der jüngste. Als Amanda in der Nähe der 3-Stunden-Marke verkündete, es gäbe ja eh keine Sperrstunde, wurde mir schon ein wenig Angst ...
Es muss so nach etwa 3 Stunden gewesen sein, als sie die Bühne verlies, nur um kurz darauf zur ersten Zugabe (auf der Ukulele) zurückzukommen. Dann kam auf einmal die noch nicht abgearbeitete Wunschliste wieder hoch und Amanda eilte zum Klavier, um noch "Judy Bloom" und "Sing" zu spielen. Zum dann wirklich letzten Song ging es noch einmal mitten ins Publikum, das im Sitzen um sie herum der Ukulele Anthem nicht nur lauschte sondern diese auch mitsang.
Ukulele, thing of wonder @amandapalmer last night at Die Kantine, Cologne pic.twitter.com/iVOQdbv6mV
— @Mind_Mouth_Sou) November 4, 2016
Nach insgesamt guten dreieinhalb Stunden war damit dann endgültig Schluss. Es gab vielleicht keine Sperrstunde, aber die Belegschaft der "Kantine" (der Location) wollte natürlich auch irgendwann mal nach Hause. Und so wurde die vorher angekündigte Signierstunde etwas straffer organisiert ("keine Selfies"). Amanda nahm sich trotzdem noch Zeit, jedem Fan zuzuhören, aber ein bisschen spürte man jetzt schon den Druck, sich kurz zu fassen. Das war etwas schade.
Insgesamt ein tolles Konzert, keine Frage. Es war aber vielleicht doch etwas zu viel des Guten (was wohl auch andere so gesehen haben). Amanda ist die Meisterin der Improvisation, wie sie an diesem Abend in verschiedenen Situationen wieder unter Beweis gestellt hat. Ein wenig Planung hat aber auch seine Vorteile.
Bleibt noch die Frage, warum dieses Konzert so viel besser funktioniert hat, als etwa das von Cat Power. Und ich denke, die Antwort liegt im Publikum und Amandas Beziehung zu diesem: Wir kennen und verstehen Amanda, weil sie eben alles mit uns teilt - die guten wie die schlechten Zeiten. Und wir wussten, wie sehr es ihr am Herzen lag, ihre Songs einmal in dieser Form zu spielen. Deshalb waren wir gekommen: Um die Songs zu hören und ihr zu zeigen, dass sie uns auch so gefallen. Es war nicht vom Künstler verordnete Kunst ("ich mach das jetzt so, basta"), sondern klar kommuniziert: "Es ist mir wichtig, Euch die Songs in dieser Form vorzustellen und ich bin gespannt auf Euer Feedback." Wir waren eingebunden. Und begeistert.