Sind wir nicht alle ein bisschen Pono?
Ich muss gestehen, der Mauszeiger schwebte schon kurz über dem Bestellen-Button. Als Geek mit einer milden Form von Gadgeterities bin ich für solche Spielsachen natürlich anfällig. Aber dann setzte die Vernunft doch noch ein.
Pono ist ein Projekt von Neil Young. Er findet, dass die ganzen digitalen Musikformate und -Player der Musik nicht gerecht werden und will bessere Qualität liefern. Klingt ja nicht schlecht, wenngleich es ein wenig nach den ewigen Tiraden der Audiophilen klingt, die auf ihre vergoldeten Digitalkabel schwören ...
Seit gestern nun ist Pono in Form eines Kickstarter-Projekts vorbestellbar. Da ist zum einen der Player selbst, der in ungewohnt dreieckiger Form daher kommt. Das "Futter" soll ein Music Store liefern, aber das Gerät kann dankenswerter Weise auch vorhandenes Material abspielen, auch wenn das ja angeblich so schlecht ist.
Pono ist wohl kein neues Dateiformat, wenn ich das richtig verstanden habe, sondern man will "High Resolution"-Aufnahmen in entsprechenden normalen Formaten liefern. Zusammen mit der "besseren" Hardware des Players soll so der Hörgenuss entstehen.
Irgendwie fehlt da aber schon einmal das letzte Glied in der Kette, nämlich der Lautsprecher bzw. Kopfhörer. Mitgeliefert werden wohl keine - man setzt offenbar darauf, dass das Zielpublikum seine entsprechende Lieblingshardware schon hat und direkt anschließen will.
Über den Preis ($300 bei Kickstarter, später $400) wurde schon gelästert, aber im Vergleich zu einem ähnlich ausgestatteten iPod erscheint mir der Preis jetzt nicht überzogen. Immerhin bekommt man 128 GB Speicher, wovon die Hälfte als Wechselspeicher (SD-Karten) ausgelegt ist. Dazu dann die angeblich so viel bessere Hardware und dann erscheint der Preis nicht mehr sonderlich hoch. Weswegen ich ja auch schon beinahe zugegriffen hätte.
Ernüchternd wirkt aber der Blick in die FAQ: Zwischen $15 und $25 sollen die High-Resolution-Alben im Pono-kompatiblen Format kosten. Hier drängt sich der Verdacht auf, dass wieder einmal der gleiche alte Content in neuem Format für mehr Geld verkauft werden soll (die Filmindustrie läßt grüßen). Mal ehrlich: Wieviele unserer Lieblingsalben würden wir denn wirklich noch einmal kaufen? Zumal, wenn wir sie schon auf CD haben? Und vor allem: Würde Unsereins überhaupt den Unterschied zwischen einer CD bzw. FLAC und diesem tollen neuen Format hören?
Auffällig an dem Video auf der Kickstarter-Seite ist, dass sich fast nur alte Herren äußern. Musiker, die Zeit ihres Lebens auf der Bühne standen und zumeist laute Musik gemacht haben. Mit Verlaub - wie gut hören die überhaupt noch?
Ja, man würde den Unterschied hören, verspricht die FAQ. Die Frage ist, ob einem diese vage Versprechung eine Investition von $300 in einen neuen Player wert ist. Bei aller Liebe zu neuen Gadgets, habe ich mich jedenfalls vorerst dagegen entschieden. Ich werde das Projekt weiter beobachten und falls es mal eine zweite Generation geben sollte, werde ich es mir nochmal überlegen. Aber einstweilen überwiegen die Zweifel.