Politik

Kindisch, oder: Die Realitätsverweigerung der Politik und die Folgen

Unsere Regierung erinnert zunehmend an ein Kleinkind. Sachargumenten gegenüber vollkommen unzugänglich wird nur stur wiederholt: "Ich will aber. Ich WILL aber. ICH WILL ABER!"

Und so bekommen wir, nach dem Betreuungsgeld und der PKW-Maut, demnächst eine Vorratsdatenspeicherung. Wieder einmal. Zwar soll sie dieses Mal anders heißen, aber wem will die Regierung eigentlich etwas vormachen? Es sollen Daten gespeichert werden, und zwar auf Vorrat. Also ist es eine Vorratsdatenspeicherung. Dinge nicht mit ihrem Namen benennen zu wollen ist auch so ein Auswuchs und ein Zeichen von Realitätsverweigerung.

Eigentlich fehlen mir die Worte. Die alte Vorratsdatenspeicherung wurde vom Bundesverfassungsgericht kassiert, der EU-Gerichtshof mag sie auch nicht, sämtliche Studien belegen die Wirkungslosigkeit, vom Schaden, den die Demokratie und das Vertrauen in selbige nehmen ganz zu schweigen. "Ich will aber. Ich WILL aber. ICH WILL ABER!" So verhält sich nur jemand, der den gesellschaftlichen Konsens längst verlassen hat.

Ein ehemaliger Verfassungsrichter hat das Grundgesetz einmal mit einer Leitplanke verglichen: Sie ist da, um im Notfall Schlimmeres zu verhindern. Normalerweise aber hält man - schon im eigenen Interesse - Abstand davon.

Unsere Regierungen (die jetzige ist damit ja nicht die erste) verfolgen schon seit einiger Zeit einen Kurs, bei dem sie ständig an der Leitplanke entlang schrammen. Gebracht hat es ihnen nichts - sie bekommen vom Verfassungsgericht regelmäßig auf die Finger. Trotzdem lassen sie nicht davon ab. "Ich will aber. Ich WILL aber. ICH WILL ABER!"

Den Schaden trägt die Demokratie davon (im Bild: das Fahrzeug, das an der Leitplanke entlang schrammt). Und die Regierungen liefern damit ein schlechtes Beispiel für die Gesellschaft als Ganzes. In diesem Sinne sind sie auch mitverantwortlich für Auswüchse wie die Vernunft-Verweigerer von Pegida oder die Bildungs(plan)gegner im Ländle. Wenn "die da oben" Vernunftargumenten schon nicht mehr zugänglich sind, warum sollen sich "die da unten" (die sich zumindest so fühlen) anders verhalten?

Was können wir tun? Ich bin kein großer Fan von Sascha Lobo, aber zur jüngsten Ausprägung der Vorratsdatenspeicherung hat er tatsächlich einmal etwas geschrieben, das ich voll und ganz unterschreiben würde: Vorratsdatenspeicherung: Wehren Sie sich! Und er gibt den richtigen Tipp - schreibt Euren Abgeordneten. Noch ist dieses Kind nicht (wieder) in den Brunnen gefallen.

Wir versuchen auch gerade in Stuttgart etwas dagegen zu tun: Die Neuen Stuttgarter Abendgespräche helfen, die Teilaspekte des Themenkomplexes Überwachung zu beleuchten und liefern Argumentationshilfen. Wer tiefer einsteigen will, kommt zur No-Spy-Konferenz.

Wie man das eigentliche Problem, das komplette Aufgeben der Vernunft, angehen soll, dazu fehlen mir leider die Ideen. Mehr Bildung wäre eigentlich der Ansatz, aber wie erreicht man jemanden, der sich der Bildung - und damit sachlichen Argumenten - so offensichtlich verweigert? Das macht mich einfach nur sprachlos - wütend zwar, aber hilflos.

(Foto: Crying von Upsilon Andromedae, Flickr, CC BY)

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